Jeder Ton ist richtig
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Ich habe ein Video auf dem Handy, das gucke ich mir immer wieder an. Es zeigt meine große Tochter vor ein paar Jahren mit ihrem Chor in der Christuskirche in Hannover. Natürlich singen die Mädchen alle chorisch. Trotzdem höre ich ihre Stimme deutlich heraus. Wahrscheinlich, weil ich ihre Stimme kenne. Da unten im Tale, singen sie. Und es gibt eine Stelle, einen Halbton, der drückt intensiv auf die Tränendrüse. Zumindest auf meine. Jedesmal wieder. Sehr zuverlässig. Da wird mir's ganz trüb.
So eine Geschichte kann wahrscheinlich jeder erzählen, jeder ganz anders. Aber Musik kann das. Anders als Worte und noch besser als Bilder. Musik bringt in uns etwas zum Schwingen, dem wir uns gar nicht entziehen können. Das ist manchmal traurig. Manchmal fröhlich.
Bei bestimmten Liedern bei Trauerfeiern beobachte ich das, genauso wie bei Weihnachtsgottesdiensten. Vielleicht könnte ich das auch im Stadion beobachten, wenn Köln zu Besuch ist. Köln hat Fans, die einfach singen. Ohne Unterlass. Das habe ich schon einmal beobachten können.
Ich bin nur so selten dabei. Im Kirchenjahr sind wir inzwischen an dem Sonntag angelangt, an dem wir zum Singen aufgefordert werden. Cantate. Singt! Weil uns so Unglaubliches verheißen ist, dass wir singen sollen!
Das ewige Leben: erst das Osterfest. Für uns, die Quasimodogeniti, dann noch das Erbarmen des Herrn: Misericordias domini. Jubilate! Dann die Aufforderung, zu singen. Bevor es dann mit Himmelfahrt und Pfingsten weitergeht. Cantate! Singt!
Wir sind so bewegt, dass wir nicht anders können, als zu singen. Auch drunten im Tale. Eine Melodie ist da nicht vorgegeben. Jeder Halbton ist wohl richtig. Also singt Euren Ton! Cantate!
Es ist wahrscheinlich blöde, dass dies ein Text ist und keine Audiospur. Sonst könnte ich mit meiner Melodie anfangen und Du könntest mitmachen. Meine Tochter frage ich auch, ob sie mitmacht.
Amen.
Jakob Kampermann