Wie Fisch die Welt nachhaltig satt machen könnte
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Freitags kommt Fisch auf den Teller - das gilt für viele Kantinen hierzulande und durchaus auch für manchen privaten Speiseplan. Rund 14 Kilogramm Fisch essen die Deutschen pro Jahr immerhin im Durchschnitt - sie liegen damit allerdings weit unter dem Durchschnitt der EU-Staaten von 24 Kilogramm.
"Es ist eines der unbekanntesten Nahrungsmittel bei uns", sagt Brot-für-die-Welt-Referent Francisco Marí. Und die heimische Fischerei spielt nur noch eine untergeordnete Rolle: Ab dem 11. März, so hat das Entwicklungswerk errechnet, wird hierzulande nur noch Fisch konsumiert, der importiert wurde. Den "end-of-fish-day" markiert das Datum, ab dem Fisch aus der ganzen Welt, insbesondere aus Norwegen und China, aber auch aus anderen EU-Staaten, auf deutschen Tellern landet.

Weltweit ist Fisch durchaus ein wichtiger Faktor in der Ernährung vieler Menschen - sicher nicht als Problemlöser für die Herausforderungen, die Dürren und Krieg für die bezahlbare Ernährung in vielen Weltregionen bedeuten. Aber durchaus für viele Menschen als einzige günstige Proteinquelle. Francisco Marí beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Ökologie und Ökonomie des Fischfangs und ist immer wieder fasziniert: "Man muss Fisch nicht aussäen, er reproduziert sich selbst, findet sein Futter." Dennoch sei seine Existenz gefährdet: "Weltweit sind nur noch 30 Prozent der Fischgründe gesund, alle anderen wurden gnadenlos überfischt und stehen kurz vor dem ökologischen Kollaps."
Schon diese Zahlen sind alarmierend - doch die Bedingungen für den Fischfang verändern sich weiter radikal. Die Meereserwärmung etwa sorgt dafür, dass viele Arten in noch kühlere Meere verschwinden, sagt Experte Marí: "Schottische Fischer haben nun plötzlich Sardinen, die sie vorher noch nie fangen konnten, in ihren Netzen. In südlicheren Gewässern sorgt das Verschwinden der Korallen dafür, dass stellenweise überhaupt kein Fisch mehr da ist. Und in Westafrika etwa lockt eine Fischmehlfabrik nach der anderen die lokalen Fischer, lieber Fisch als Futter für die exportstarken Aqua-Kulturen zu liefern und nicht die lokale Bevölkerung zu ernähren."
Es ist nicht das einzige Argument gegen Aquakulturen, das Marí nennt. Auch die Klimabilanz von wild gefangenem Fisch sei deutlich günstiger: „Und das im Übrigen auch im Vergleich zu den meisten anderen Quellen tierischen Proteins. Denn Fisch muss nicht gefüttert oder gewässert werden und verbringt sein Leben bis zum Zeitpunkt des Fanges ungestört im Meer.“
Und welchen Fisch sollte man dem Fachmann zufolge kaufen? Tendenziell eher wild gefangenen, sagt Francisco Marí: „Ich rate dazu, gern auch mal fettreiche, ernährungswichtige Sorten wie Makrele, Sardelle oder Hering zu essen.“ Auf jeden Fall eher nicht den immergleichen Lachs aus Aquakulturen oder Seelachs, mit dem die Fischstäbchen gefüllt wurden. Und auch nicht Thunfisch aus der Dose, bei dem Beifang eine sehr problematische Angelegenheit sei. Marí wünscht sich ein europäisches Fisch-Label ähnlich wie das Bio-Label - denn das MSC-Zertifikat, mit dem sehr viele Supermarktprodukte gekennzeichnet sind, sieht er kritisch: Soziale Fragen spielten dabei keine Rolle, industrielle Fischerei werde gegenüber lokalen Fischern bevorzugt.
Umso dramatischer, dass die Vereinten Nationen 2022 zum "Jahr der handwerklichen Fischerei" ausgerufen haben - davon bemerkt wohl kaum jemand etwas. Dabei wäre der Erhalt der schon in der Bibel lebendig beschriebenen Fischerei ein lohnenswertes Ziel. Wer einmal in Westafrika oder einer anderen Esskultur mit viel Fisch auf dem Speiseplan frischen Fang speisen durfte, wird das verstehen.
Alexander Nortrup / Themenraum
