Osterandacht von Ralf Meister
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Vor einigen Tagen habe ich einen blau-gelben Treffpunkt in einem leerstehenden Pfarrhaus in der Nähe von Hannover besucht. Engagierte Kirchenkreissozialarbeiterinnen hatten mit viel Unterstützung durch ehrenamtliche Mitarbeiterinnen innerhalb einer Woche aus dem Haus eine gastfreundliche Herberge geschaffen. Ich saß dort mit drei ukrainischen Frauen am Tisch und unterhielt mich mit ihnen. Eine von ihnen sprach hervorragend Deutsch. Als eine Frau erzählte, sie käme aus Mariupol, konnte ich nichts mehr sagen. Ich sah nur ihr Gesicht, ihre Trauer, ihren Schmerz.
Was können wir in diesem Jahr zu Ostern sagen? Welche Sprache finden wir im Angesicht des Bösen, der Vernichtung? Leben wir nicht in der Gefangenschaft des Karfreitags? Sollte nicht besser nur geschwiegen werden? Angesichts dieses Krieges gerät unser Glaube in Zweifel: Gott, wie kann hier wieder Frieden werden? Es ist uns nicht gelungen, die Zukunft dieser Erde, die Zukunft deiner Geschöpfe so zu gestalten, dass wir gerecht und friedlich miteinander leben. Manchmal bezweifele ich, dass wir überhaupt eine Zukunft haben werden. Dieser Krieg eines unzurechnungsfähigen Diktators lässt uns solidarisch sein mit den Opfern und bringt uns die schmerzhafte Erkenntnis der Begrenztheit, auch der Lebensbegrenztheit und der Weltbegrenztheit.
Das ist der Kern von Karfreitag und Ostern: All die Selbstbezogenheit und Überschätzung, dass wir als Menschen alles allein tun und regeln können, scheitert mit Jesus am Kreuz. Wie seine Anhängerinnen und Anhänger damals von Ferne auf den Gekreuzigten schauten, stehen wir heute hilflos und zum Zuschauen verdammt da. Wenn wir einzig darauf vertrauen, dass einige kleinere oder größere Veränderungen notwendig sind, um unserer Welt eine friedliche und lebensbejahende Zukunft zu sichern, werden wir enttäuscht werden.
„Er ist der Anfang: der erste der Toten, der neu geboren wurde. In jeder Hinsicht sollte er der Erste sein. Denn so hatte es Gott beschlossen: Mit seiner ganzen Fülle wollte er in ihm gegenwärtig sein. Und er wollte, dass alles durch ihn Versöhnung erfährt. In ihm sollte alles zum Ziel kommen. Denn er hat Frieden gestiftet durch das Blut, das er am Kreuz vergossen hat. Ja, durch ihn wurde alles versöhnt – auf der Erde wie im Himmel.“ (Kol 1, 18-20)
An Ostern geht es um eine Hoffnung, die erstmalig bestätigt wird in Jesus Christus. Dort wird der Grund gelegt für die Zukunft der Schöpfung und das Leben des Menschen in Frieden. Die Auferstehung Jesu macht den Anfang, um dem enttäuschenden Handeln dieser Welt eine andere Perspektive zu geben. Ostern bringen wir nicht nur ein fernes historisches Ereignis zur Sprache, sondern die Einsicht, dass Jesu Tod und seine Auferstehung wieder und wieder Gestalt zu geben ist in einer Welt, die erlösungsbedürftig ist.
Amen.