Was der Kühlschrank so hergibt
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Kirchen und Hilfswerke rufen in den sieben Wochen vor Ostern zum Klimafasten auf. Unter dem Motto „So viel du brauchst …“ soll der Umgang mit Lebensmitteln in den Blick genommen werden. In jeder Woche gibt es einen Schwerpunkt, vom 2. bis 8. März lautet dieser: Verschwendung. Wie können Kirchengemeinden oder private Initiativen der Lebensmittelverschwendung begegnen? Ein Beispiel aus Loccum.
Wenn Lisa Lindeken mit ihrer Tochter Zoé (3) vom Kindergarten nach Hause radelt, hält sie regelmäßig am Evangelischen Gemeindehaus und schaut, was der Kühlschrank so hergibt. Im Windfang des Gemeindehauses der Kirchengemeinde Loccum bei Nienburg ist seit kurzem ein „Foodteiler“ eingerichtet, in dem Menschen überzählige Lebensmittel abstellen können. Andere können sich dort bedienen – und zwar kostenlos und rund um die Uhr. Das Ganze funktioniert so ähnlich wie ein öffentlicher Bücherschrank, nur eben mit Essen.
Lisa Lindeken findet die Idee super. „Wir müssen mit drei Kindern ein bisschen aufs Geld achten und versuchen nichts wegzuschmeißen“, erzählt sie. Wenn sie mit Zoé, Fiete (2) und Ava (1) den Kampf ums Gemüseessen verloren hat, bringt sie die noch haltbaren Waren zum Foodteiler. „Ich kann auch nicht alles an die Pferde verfüttern.“ Dafür nimmt sie dann vielleicht eine Packung Nudeln mit. „Zoé guckt vor allem nach Süßigkeiten“, sagt die 31-Jährige lachend.
Weil sie das Konzept so überzeugt hat, gehört die junge Mutter seit kurzem zum ehrenamtlichen Team, das regelmäßig den Kühlschrank und das Lebensmittelregal kontrolliert und sauber macht. Putzen gehört dazu, inzwischen gibt es genügend Helferinnen und Helfer, dass jeder nur alle zweieinhalb Monate dran ist.
Mitinitiatorin Beate Ney-Janßen ist begeistert, dass die Idee im beschaulichen Loccum so gut angenommen wird. Ihr Sohn hatte ihr von einem ähnlichen Angebot in Hildesheim erzählt, das sich unter Studierenden großer Beliebtheit erfreut. In vielen größeren Städten gibt es sogenannte Fairteiler, die nach dem gleichen Muster funktionieren. Aber auf dem Dorf? Die Skepsis war unbegründet. Schon gibt es die ersten Nachahmer, die so etwas gern in den umliegenden Orten etablieren möchten.
Zwar gibt es eine Fairteiler-Dachorganisation, doch Beate Ney-Janßen und ihr Team wollten sofort loslegen, ohne viel Bürokratie. Das Loccumer Pastorenehepaar Corinna und Joachim Diestelkamp war von Anfang an mit im Boot und überzeugte den Kirchenvorstand. Der Windfang des Gemeindehauses erwies sich als ideal. Die Tür zu den Gemeinderäumen lässt sich weiterhin abschließen, der Vorraum ist nun Tag und Nacht geöffnet. Mit einem Zuschuss der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt wurde ein Kühlschrank angeschafft. Die Regale schraubten die Ehrenamtlichen selbst zusammen, Logos und Plakate entwarf Beate Ney-Janßens Ehemann.
So stehen am Kühlschrank ein paar Regeln: Verdorbene Lebensmittel gehören natürlich nicht in den Foodteiler, rohes Hackfleisch und selbst gesammelte Pilze auch nicht. Brot und Brötchen oder Trockenware wie Nudeln und Reis gehen immer. Es gilt der Grundsatz: Bitte nur das teilen, was man selbst auch essen würde.
Dabei steht nicht der Gedanke im Vordergrund, eine kostenlose Lebensmittelausgabe für Bedürftige zu unterhalten. „Es geht uns darum, dass nichts weggeschmissen wird. Jeder darf sich ohne Scham bedienen, die alleinerziehende Mutter genauso wie der gut verdienende Manager“, sagt Beate Ney-Janßen. Insofern sei das Angebot auch keine Konkurrenz zu den Tafeln, die es rund um Loccum in Stolzenau, Nienburg und Neustadt gibt und die weiterhin mit der überzähligen Ware umliegender Supermärkte rechnen können.
Für Lisa Lindeken hat der Foodteiler noch einen positiven Nebeneffekt: Ihre Kinder werden von kleinauf – quasi nebenbei – dafür sensibilisiert, dass Lebensmittel kostbar sind und möglichst nicht in die Mülltonne gehören. Andere mögen ja vielleicht Gemüse.
Lothar Veit/EMA