Andacht
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Kirche ist ein Tendenzbetrieb. Mitunter spielen innerhalb der Kirche andere Maßstäbe eine Rolle als außerhalb. Das, was die Kirche macht, tut sie unter anderen Richtlinien, als sie außerhalb der Kirche gelten.
In vielen Dingen finde ich diese Maßstäbe überzeugend. Aber ich bin mir dessen bewusst, dass das nicht allen so geht. Spätestens die Kirchensteuer stellt diese Überzeugung in Frage. Bin ich für die Kirche ein Gewinn? Wie viele Menschen sind meinetwegen schon in die Kirche eingetreten? Und wie viele ausgetreten? Ich kann erleichtert sein, dass meine Arbeitgeberin – die Landeskirche Hannovers – solche Aufrechnungen nicht betreibt. Und das aus gutem Grund.
Auch ich, liebe Brüder, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten und hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu verkündigen. Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten. - Paulus schreibt das an die Gemeinde in Korinth. Er schreibt an eine Gemeinde, deren Gründung er vorangetrieben hat. Die Gemeinde kennt ihn. Sie hat ihn erlebt. Und genau das ist das Problem.
Korinth ist im ersten Jahrhundert noch eine Weltstadt. Der Handel blüht. Der Austausch von Waren. Aber auch von Ideen. Von Überzeugungen. Von Religionen und Philosophien. In Korinth treten etliche Redner öffentlich auf. Auch in der christlichen Gemeinde. Da gibt es Menschen, denen man gerne und gut zuhören kann. Die überzeugen. Die beeindrucken. Ich sag mal: die Charisma haben. Das sind die Korinther gewohnt. Und sie werden sich nur schwer mit den trockenen und bisweilen auch etwas hölzernen Reden von Paulus abgefunden haben. Er selbst hat es ja auch eingestanden. Seine Reden strotzten nicht gerade von Selbstbewusstsein. Sie waren keine rhetorischen Meisterwerke. Und wollten es auch gar nicht sein. Im Gegenteil, und hier dreht Paulus die Sache um und stellt sie vom Kopf auf die Füße. Sein Reden orientiert sich nicht an der Form, an schönen und glatten Formulierungen, sondern ausschließlich am Inhalt. Und der spricht seine eigene Sprache. Paulus identifiziert sich mit dem Inhalt seiner Predigt, und das ist das Kreuz: Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten.
Der Gekreuzigte ist Maß und Mitte. Andere Inhalte sind dadurch nicht verdächtig oder verboten, wie die paulinischen Briefe selbst deutlich erkennen lassen. Aber vom Kreuz her gewinnt alles eine andere Qualität, eine andere Perspektive. Hat sich alles ausrichten zu lassen, wenngleich durch die Auferstehung die Bedeutung des Kreuzes allererst offenbar und verkündbar geworden ist. Dass das Sterben von Jesus am Kreuz zum Größten und Wichtigsten geworden ist, wovon wir Christen reden und leben können, hat sich ja auch in der Geschichte niedergeschlagen, die wir vor drei Wochen wieder gehört haben: der Geburt im Stall in Bethlehem. Auch da werden unsere Wertvorstellungen auf den Kopf gestellt – mit dem König der Welt im Futtertrog.
Müssen alle Prediger also möglichst unbedarft auftreten? Ich glaube, das wäre ein Missverständnis. Paulus erhebt nicht schwaches Redevermögen zur Tugend. Es ist ja gar nicht die menschliche Schwachheit, die er verherrlicht, sondern die Kraft Gottes! Auf die kommt es an. Es kommt darauf an, dass wir von ihm die Kraft bekommen, die Zivilcourage, die Haltung, die nötig ist, damit wir uns an unserem Ort für seine Sache engagieren können.
Es sind nicht die großen Events und Leuchtfeuer und Leuchttürme, die unsere Kirche am Leben halten werden. Sondern – mit Paulus gesprochen – Gottes Geist wird die Kirche retten. Anders gesagt: Menschen, die wie Paulus mit all ihrem Unvermögen glaubhaft vermitteln, dass ihnen diese Kirche, dass ihnen Jesus Christus am Herzen liegt. Und das können Sie, die Sie nicht dafür bezahlt werden, wahrscheinlich viel verblüffender und intensiver tun als ich.
Amen.
Jakob Kampermann