Startseite Archiv Tagesthema vom 14. Dezember 2021

Ich steh' an deiner Krippen hier

In der Adventszeit verwandelt sich der kleine Harzort Wieda in ein Krippendorf

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Erst läuten die Glocken, dann singt ein Chor „O du fröhliche“. Vertraute weihnachtliche Klänge - doch sie kommen nicht aus einer Kirche, sondern aus Udo Roloffs Krippe. Sein Kunstwerk ist eine von 23 Stationen, die gerade Menschen aus Nah und Fern in das kleine Harzdorf Wieda locken. Die Krippen, teils mit lebensgroßen Figuren, stehen auf Höfen, in Garageneinfahrten, an den Straßen und natürlich neben der Kirche. Seit 2005 ist dies in dem kleinen Ort südlich von Braunlage gute Tradition.

Roloff ist von Anfang an dabei. Vier Wochen hat der 77-Jährige an seiner Krippe gebaut, die nicht einfach nur dasteht, sondern überall leuchtet und bei der sich vieles bewegt. Die Heiligen Drei Könige drehen sich im Kreis und kommen immer wieder mit ihren Geschenken beim Jesuskind vorbei. Angetrieben werden sie von einem 12-Volt-Scheibenwischermotor: „Zuerst hatte ich 24 Volt probiert, aber dann sausen die Könige viel zu schnell.“ An den Wänden hängen Miniaturfackeln und maßstabsgetreue Sensen, ein Strohballen schwebt auf und ab, es gibt einen Brunnen und eine Figur, die Holz hackt.

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Bürgermeister Klaus-Erwin Gröger (links) wollte nicht einen weiteren austauschbaren Weihnachtsmarkt etablieren, sondern ein Alleinstellungsmerkmal. Rechts im Bild: Der Wiedaer Pastor Stefan Gresing. Bild: Lothar Veit

Kaum zu glauben, dass der gelernte Maurer sein Werk in vier Wochen vollbracht hat. „Mein Auto stand in dieser Zeit an der Straße, ich habe die vier Wochen in der Garage verbracht“, erzählt der Rentner. „Wie wenn ich zur Arbeit gegangen bin. Das hat so einen Spaß gemacht.“ Neugierige haben sich anfangs nicht auf sein Privatgrundstück getraut. Also hat er die Krippe kurzerhand mit dem Bewegungsmelder seines Hauses gekoppelt. Wenn nun jemand vorbeikommt, geht die Beleuchtung an, Strohballen, heilige Könige und einfach alles setzt sich in Bewegung. Schließlich dürfen Gäste seine Kreation gern sehen. „Das Schönste sind für mich die leuchtenden Kinderaugen!“

Die Idee zum Krippendorf hatte der damalige und kürzlich wiedergewählte Bürgermeister Klaus-Erwin Gröger. Der Harzort war schon immer für seine aufwändige und stimmungsvolle Beleuchtung zur Adventszeit bekannt. So gibt es zum Beispiel 60 öffentlich beleuchtete Fichten. Doch Gröger wollte nicht einen weiteren austauschbaren Weihnachtsmarkt etablieren, sondern ein Alleinstellungsmerkmal. Mit sechs lebensgroßen Krippen ging es los, danach konnte der Bürgermeister immer mehr Menschen in dem 1.400-Seelen-Ort zum Mitmachen begeistern. Wie kam er auf Krippen? „Meine Eltern sind aus Schlesien hierher vertrieben worden, die Hauskrippe hatte für uns eine besondere Bedeutung.“

In Vor-Corona-Zeiten gab es außerdem eine große Krippenausstellung im alten Rathaus mit bis zu 175 Exponaten, die die Bürgerinnen und Bürger als Leihgaben zur Verfügung stellten. Auch der Punschtreff mit Musik vom Posaunenchor darf normalerweise nicht fehlen. Zurzeit gibt es nur Glühwein und Bratwurst „to go“. An den Wochenenden bis zum Fest finden in der Lutherkirche Konzerte statt.

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Udo Roloff hat die Krippe kurzerhand mit dem Bewegungsmelder seines Hauses gekoppelt. Wenn nun jemand vorbeikommt, geht die Beleuchtung an: Strohballen, heilige Könige und einfach alles setzt sich in Bewegung. Foto: Lothar Veit

Überhaupt: Für eine Kirchengemeinde kann es nichts Schöneres geben als ein Dorf, das so gemeinschaftlich die Adventszeit begeht. „Ich unterstütze das voll und ganz“, sagt Pastor Stefan Gresing. Er ist erst seit 2019 für die Gemeinde zuständig, hatte aber zuvor als Pastor im benachbarten Braunlage schon viel vom Krippendorf gehört. „Das ist nicht nur Folklore, da steckt auch viel Religiosität dahinter“, ist Gresing überzeugt. Wie bei Udo Roloff, der sich viele Gedanken gemacht hat, um die biblische Geschichte der Geburt Jesu in sein Modell einfließen zu lassen. So hat er etwa ein komplett eingerichtetes und bewohntes Miniaturzimmer über seine von beiden Seiten einsehbare Krippe gebaut. „Das Jesuskind musste im Stall zur Welt kommen, weil die Herberge voll war.“

Auch neben der Lutherkirche stehen lebensgroße Krippenfiguren, es waren seinerzeit die ersten, wie Bürgermeister Klaus-Erwin Gröger erklärt. Maria kniet dankbar vor der Krippe mit dem Jesuskind, Josef hält eine Laterne. Vor dem Stall wacht ein Hirte mit seinen Schafen. Der Wiedaer Michael Damm hat das Ensemble mit der Motorsäge geschnitzt. Nicht ohne Stolz fügt Gröger hinzu, dass Damm seinerzeit Vize-Europameister im Kettensägenschnitzen war.

Gestalterische Vorgaben für die Krippen gibt es nicht, der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Im Innenhof des Gasthauses „Zur Post“ stehen etwa lebensgroße Puppen, bewacht von Ochs und Esel, vor der Wand eines Privathauses sind dagegen eher kindliche Darstellungen von Maria und Josef und den heiligen drei Königen zu sehen. Das Jesuskind grinst pausbäckig über den Rand der Futterkrippe.

Wie auch immer Gottes Sohn dargestellt ist – Pastor Gresing nickt zustimmend, als der Bürgermeister sagt, er wolle in diesen unruhigen Zeiten den Blick wieder auf die Kernbotschaft des Weihnachtsfestes lenken. In Wieda tragen viele ihren Teil dazu bei.

Lothar Veit
Diego Armando Maradona auf einem Wand-Tattoo in seiner Heimatstadt Buenos Aires (Foto: Wally Gobetz / flickr.com / CC BY 2.0)
Diego Armando Maradona auf einem Wand-Tattoo in seiner Heimatstadt Buenos Aires (Foto: Wally Gobetz / flickr.com / CC BY 2.0)

Wiedaer Krippen

Noch bis zum 30. Dezember sind die Krippen im Harzort Wieda in der Gemeinde Walkenried zu sehen. Weitere Informationen und einen Flyer mit dem Rahmenprogramm gibt es auf dieser Website:

Kreuz mit Bibel und Blumen_Jens Schulze_epd Bild
Foto: Jens Schulze (epd-Bild)