Wie es Weihnachten werden kann
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Wo, bitteschön, gibt es Federn? Susanne Paetzold lächelt - sie hätte nicht unbedingt mit dieser Frage gerechnet. Aber wie der Engel seine Flügel bekommt, das ist für die Fragende elementar - schließlich sollen die Besucher ihres Stationen-Krippenspiels mit einem gebastelten Weihnachtsengel nach Hause gehen. Also gibt Diakonin Paetzold ihr und allen anderen Teilnehmenden des Zoom-Meetings gern ein paar Tipps (am besten über das Internet bestellen) - auch noch zur Beschaffung von goldfarbenen Holzkugeln (selbst bemalen statt fertig kaufen) für den Kopf des Engels und zu anderen weihnachtlichen Details (PDF-Bastelanleitung hier).
Ja, es wird Weihnachten - und dies ist schon der zweite Abend, an dem Susanne Paetzold und ihre Kollegin Hanna Dallmeier, beide aus dem Arbeitsbereich Kindergottesdienst des Michaelisklosters, Menschen aus allen Ecken der Landeskirche und darüber hinaus in einem digitalen Workshop zur Gestaltung des Weihnachtsgottesdienstes beraten. Aus gutem Grund, natürlich - schließlich sorgt die Pandemie weiter für viel Unsicherheit in der Planung. „In diesem Jahr wird ein klassischer Krippenspiel-Gottesdienst in der vollen Kirche an den meisten Orten erneut nicht möglich sein“, sagt Pastorin Dallmeier und spricht damit das aus, was vermutlich alle virtuell zu den Fachfrauen geführt hat.
„Die Kinder bleiben ja ungeimpft. Wir wollen sie und alle anderen nicht in Gefahr bringen“, sagt Dallmeier. „Aber niemand will einfach nichts tun. Also: Wie kann etwas stattfinden - draußen? Und auf ganz andere Art als üblich?“ Sie wollten „ein paar Lichter entzünden auf dem Weg nach Weihnachten“, sagt die Pastorin noch zum Start - und dann geht es los, ganz praktisch, mit viel Raum für Austausch und das Teilen von Ideen.
Mehr als 100 Teilnehmende waren es beim ersten Termin, nun sind es immerhin noch einmal mehr als 60, die zu abendlicher Stunde in einen Videokonferenzraum drängen und viele Fragen mitgebracht haben: Wie ist das mit Bildrechten, wenn ich bei einem Stationen-Krippenspiel Kinderbibeln nutzen will (Verlag und Autor fragen)? Welches Mikrofon eignet sich für ein Weihnachts-Hörspiel (für knapp 200 Euro gibt es das Shure Mv88, zur Not geht aber auch immer das im Smartphone eingebaute)? Und wann muss ein Krippenspiel vor der Kirche genehmigt werden (wenn es auch auf öffentlichem Grund und Boden stattfindet)?
Zur Sprache kommt neben technischen Dingen vor allem eine Frage, die die ganze Republik seit Monaten umtreibt: Wie können wir uns gegenseitig schützen und doch zugleich gemeinsam das Leben feiern? Und wie erreicht gerade in schwerer Zeit die frohe Botschaft von dem Kind in der Krippe möglichst viele Menschen?
Ein Modell, das Paetzold und Dallmeier vorstellen, ist die „Outdoor-Krippe“: Eine lebensgroße Installation auf dem Vorplatz einer Kirche, die täglich rund um die Uhr geöffnet ist, schön beleuchtet und mit einem den Coronaregeln entsprechenden Programm: der Posaunenchor spielt, jemand hält eine Andacht, jemand anderes liest Geschichten vor. „Es gibt auch Beispiele, wo man dort einfach Kinder mit der Krippe hat spielen lassen“, sagt Dallmeier. „Die Eltern standen dann auf Abstand, alle gemeinsam haben diese Zeit sehr genossen.“
Teilnehmende berichten von großformatigen Foto-Krippen-Stories, die sie in Schaufenstern von Geschäften ausstellen durften. Von QR-Codes, über die dann jede und jeder Lieder und Geschichten abrufen kann. Anderswo wird die Kirche zur Daueraustellung, in der Lebkuchen, Strohsterne und Texttafeln Advent und Weihnachten erfahrbar machen - ohne große Menschenansammlungen. Und wieder andere Teilnehmerinnen erzählen, wie ihre Gemeinde dank einer auf einem Transporter fahrenden Krippe gleich den ganzen Ort mitnimmt in die Weihnachtsvorfreude. An verschiedenen Stationen wird Halt gemacht, aufgezeichnete Texte und Musik werden abgespielt. Und selbst ein Kind, das in Quarantäne ist, kann auf dem Handy der Eltern seinen Part aufzeichnen.
Niemand in dem virtuellen Workshop behauptet, dass die diskutierten Ideen und Impulse ohne Alternative sind. Paetzold und Dallmeier betonen unermüdlich, dass Gemeinden an allen Orten individuelle Lösungen finden sollten. „Wir wollen eine Bandbreite von Ideen mitgeben, für die so unterschiedlichen lokalen Voraussetzungen“, sagt Paetzold. Die Reaktionen seien überaus zahlreich und positiv: „Wir konnte gar nicht so schnell mitlesen, wie sich der Chat füllte.“ Eine Erkenntnis der Abende: Die Pandemie mache Dinge komplizierter - aber sie setze auch unzweifelhaft Kreativität frei: „Dieser Workshop hat uns noch einmal gezeigt, wie vielfältig unsere Kirche ist.“
Und die Botschaft von Weihnachten 2021? Womöglich sei es eben diese Vielfalt, sagt Hanna Dallmeier: „Es kann ja kleiner sein und ist trotzdem Weihnachten. Das alles schmälert die Freude daran keineswegs. Es muss nicht so sein wie immer, um schön zu sein.“ Und wer mit einem gefiederten Engel in der Tasche und der Geschichte von dem Kind im Herzen wieder nach Hause geht, hat ja auch das Wichtigste mitgenommen.
Alexander Nortrup, Themenraum