Hilfe! Bitte!
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"Hilfe! Bitte!", schreit sie über den Flur. Ihre Tür steht offen, deshalb ist es überall zu hören. "Hilfe, bitte!" Immer wieder. Es gehört schon fast zur Routine der Station. Weil sie eben immer wieder ruft. Tag und Nacht.
Die Pfleger und Pflegerinnen der Station gehen ungern rein zu ihr. Weil sie Angst haben müssen, von ihr geschlagen zu werden. Auch wenn sie ihr doch eigentlich helfen wollen. So haben sie das Gefühl, ihr doch nichts recht machen zu können. Und um sich abzusichern, gehen sie eben zu zweit in ihr Zimmer. Denn sie ruft ja um Hilfe. "Hilfe! Bitte!"
Ich bin ja kein Pfleger. Also betrete ich ihr Zimmer. Wie viel Demenz in ihr steckt, kann ich nicht absehen. Aber sie hat Schmerzen, sagt sie. Und früher ging alles besser. Konnte sie gehen. Jetzt kann sie das alles nicht mehr. Ein Pfleger hat ihr einen Teller mit Abendbrot neben das Bett gestellt. Aber sie kommt da gar nicht dran. Sie kann sich nicht aufsetzen und zum Tisch gehen. Also braucht sie Hilfe. Bitte!
Das "Bitte" ist neu. Vor einer Woche hat sie nur um Hilfe geschrien. Jetzt ist auch die Bitte dabei. Erzählen die Pfleger.
Sie will nicht mehr. Erzählt sie. Ich vereinbare, dass ich morgen wieder bei ihr bin. Und sie gerne treffen möchte. Das macht man so, habe ich gelernt. Viel lieber hätte ich, dass sie das Lied von Hiskia singen kann. Alle Verse. Anstatt zu rufen. Hilfe, bitte!
Herr, davon lebt man,
und allein darin liegt meines Lebens Kraft:
Du lässt mich genesen
und am Leben bleiben.
Siehe, um Trost war mir sehr bange.
Du aber hast dich meiner Seele herzlich angenommen,
dass sie nicht verdürbe;
denn du wirfst alle meine Sünden hinter dich zurück.
Denn die Toten loben dich nicht,
und der Tod rühmt dich nicht,
und die in die Grube fahren,
warten nicht auf deine Treue;
sondern allein, die da leben, loben dich so wie ich heute.
Der Herr hat mir geholfen,
darum wollen wir singen und spielen,
solange wir leben,
im Hause des Herrn!
Amen.
Jakob Kampermann