"Das Vertrauen und die Dankbarkeit sind kaum in Worte zu fassen"
Monika Huke ist ehrenamtliche Sterbebegleiterin: Sie steht Sterbenden und ihren Angehörigen bei, klärt Fragen und vermittelt weitere Hilfe. Zum Tag des Hospizes erzählt sie, warum sie das gern tut.
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Frau Huke, Sie begleiten Sterbende und Angehörige auf dem letzten Lebensabschnitt - und das ehrenamtlich. Den Tod immer vor Augen zu haben - das klingt nicht fröhlich. Wie sind Sie dazu gekommen?
Huke: „Durch das Erleben eines Sterbefalls in meiner eigenen Familie: Ich fühlte mich damals sehr alleingelassen und überfordert. Kurz danach las ich die Anzeige für die Ausbildung zur Sterbebegleitung – und dachte gleich: Das wäre toll, wenn ich anderen nur ein bisschen von dem ersparen könnte, was ich selbst erlebt hatte. Wenn ich ihnen ein bisschen von dem geben könnte, was ich vermisst hatte. Ich bin dann völlig offen in die Ausbildung gegangen und habe im Nachhinein vieles verstanden, was in der Betreuung meiner Mutter nicht funktioniert hatte.“
Was lernt man in solch einem Kurs?
Huke: „Zunächst einmal, die eigene Meinung zurückzunehmen und zu erkennen, was Sterbende und Angehörige gerade brauchen. Nicht mit gut gemeinten Ratschlägen um sich zu werfen, sondern zuzuhören und zu schauen: Wo kann ich unterstützen, wo kann ich einen Ansprechpartner vermitteln, wo sollen vielleicht weitere Fachleute eingebunden werden?
Und es ist oft auch eine Vermittlung zwischen Sterbenden und Angehörigen, weil bei Letzteren oft viel Unsicherheit da ist: Wie gehe ich mit diesem Menschen jetzt um, müssen wir jetzt alle ganz leise im Haus sein? Sie spüren den Druck, alles richtig machen zu wollen – aber was „richtig“ oder gut ist, ist oft nicht klar benennbar. Und schließlich lernt man auch, auf seine eigenen Kräfte zu achten – wenn ich erschöpft bin, kann ich nicht helfen.“
Der Tod gehört doch zum Leben. Warum brauchen wir Menschen, die dafür ausgebildet sind, in solchen Situationen da zu sein?
Huke: „Der Tod wurde so lange tabuisiert, dass wir ganz weit weg von ihm sind. Die Gespräche über den Tod innerhalb der Familien sind verloren gegangen, wären aber sehr wichtig. Da kann es eine Unterstützung sein, Ängste und Gefühle mit einer außenstehenden Person vertraulich auszutauschen.“
Gehen Sie zu den Beerdigungen ihrer Begleitpersonen?
Huke: „Ja, wenn es sich machen lässt, denn das ist auch für mich ein Abschluss. Oft werde ich von den Angehörigen eingeladen.“
Wie schaffen Sie es, nicht ständig um neu gewonnene Bekannte zu trauern?
Huke: „Da ist die klare Linie, die man in der Ausbildung verinnerlicht - mitfühlen: ja, mitleiden: nein. Trotz aller Nähe, die sich entwickelt, wahrt man eine gewisse Distanz. Nicht zu sehr in eine Freundschaft gehen, sondern auf einer professionellen Linie zu bleiben, das hilft.“
Wenn Sie in ein Haus kommen, treffen sie dort nicht unbedingt auf intakte Familienverhältnisse; manche sind vielleicht sogar zerrüttet, manche Spannung entsteht durch die Extrem-Situation. Ist es nicht unangenehm, da mitten hineinzugeraten?
Huke: „Naja, am Anfang beobachtet und hört man erstmal viel zu, um ein Gefühl für die Stimmung zu bekommen, die Nöte und Sorgen, die auf allen Seiten sind. Wer hat mich als Begleitung eigentlich dazu geholt und welche Bedürfnisse haben die einzelnen Personen? Man merkt dann auch sehr schnell, ob die Chemie stimmt – das ist sehr wichtig, denn wenn man sich unsympathisch ist, bringt die ganze Sache nichts. Da muss man dann auch ehrlich sein und zur Not sagen, dass vielleicht besser jemand anderes die Besuche übernimmt. Damit dann ein vertrauensvolles Verhältnis entstehen kann, braucht es Zeit – deshalb sind wir froh, wenn wir nicht erst kurz vor dem Tod dazu geholt werden, sondern möglichst früh.“
Was bedeutet das emotional für Sie?
Huke: „Was ich von den Menschen höre, von den Sterbenden wie den Angehörigen, was ich von ihnen zurückbekomme, das lässt sich kaum in Worte fassen. Wir sprechen auf einer einzigartigen Ebene, wo es keine Schauspielerei mehr braucht, sondern wo man einfach ehrlich miteinander ist. Diese Begegnungen, in denen man so viel Vertrauen und Dankbarkeit erfährt, kann man kaum beschreiben. Es ist eine wahnsinnig tolle Vorstellung, dass es anderen hilft, dass ich bei ihnen bin und die Hand reiche.“
Haben Sie bei all dem schon einmal etwas Überraschendes erlebt?
Huke: „Einmal kam ich im Sommer zu einer Frau, bei der ich schätzte, dass sie Weihnachten nicht mehr erleben würde. Doch sie erzählte mir dann, dass sie dank der Gespräche weitergelebt habe – dreieinhalb Jahre haben wir miteinander verbracht! Dabei hatte sie zu Anfang sogar gesagt, dass sie keine Lust mehr habe und sterben wolle. Das soll kein Eigenlob sein, sondern nur zeigen, dass die Begleitung, das Reden und Verarbeiten unglaublich wichtig sind.“
Haben Sie Angst vor dem Tod?
Huke: „Angst trifft es nicht – ich denke eher an meine Kinder und dass ich alles, was ich kann, vorher gut organisiere. Sie sollen nicht in die Unsicherheit kommen, wie ich behandelt werden möchte und sollen meine persönlichen Dinge verwalten können, wenn ich es nicht mehr kann. Ich kann jedem nur empfehlen, sich über eine Patientenverfügung und eine Vorsorge-Vollmacht Gedanken zu machen – damit nimmt man den Hinterbliebenen viele Sorgen.“