"Wir werden von der Politik ausgeblendet"
Maskentragen, Testpflicht: Die Diskussionen um Schule zu Pandemie-Zeiten reißen nicht ab. Auch in die evangelischen Schulen gehen täglich Schülerinnen und Schüler unter besonderen Vorzeichen zum Unterricht - wir haben uns in Wunstorf und Wolfsburg umgehört, wie sich das aktuell für sie anfühlt.
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Um die Corona-Maßnahmen an Deutschlands Schulen wird heftig gestritten - insbesondere über die Masken- und Testpflicht. Das Tragen einer Mund- und Nasenbedeckung ist etwa in Bayern und dem Saarland seit dieser Woche nicht mehr vorgeschrieben. Schülerinnen und Schüler an der Saar lassen sich aber weiter zweimal wöchentlich testen. In Bayern sogar dreimal wöchentlich - und im Gegensatz zum Saarland nicht zu Hause, sondern unter Aufsicht im Klassenraum. In Niedersachsen wird auch zu Hause getestet, dagegen sind Masken weiterhin vorgeschrieben, nur Erst- und Zweitklässler dürfen sie am Sitzplatz abnehmen.
Der Vorsitzende des deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, spricht angesichts dieser Unterschiede von "wildester Kleinstaaterei" und warnt vor einer "geplanten Durchseuchung". Der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, bezeichnet das generelle Festhalten an einer Maskenpflicht für "unangemessen" - Virologin Melanie Brinkmann, die auch die Bundesregierung berät, warnt hingegen vor verfrühten Schritten. "Bei der hohen Anzahl an Nicht-Geimpften, und hierzu zählen die Kinder, halte ich diese Entscheidung für verfrüht – und ehrlich gesagt auch für ziemlich dumm", sagte sie der "Rheinischen Post".
Jenseits der politischen und fachlichen Diskussionen gibt es einen schulischen Alltag, in dem alle Akteure aus den schwierigen Bedingungen das Beste machen müssen. Wie klappt das an den evangelischen Schulen hier in Niedersachsen? Wir haben in Wunstorf und Wolfsburg Stimmen dazu gesammelt.
"Auch bei uns an der Grundschule Eichelkamp in Wolfsburg hat die Pandemie deutliche Spuren hinterlassen. Wir erleben ungewohnt viele Streitigkeiten und Unruhe zwischen den Schülerinnen und Schülern. Kinder aus unterschiedlichen Kohorten beleidigen sich auf dem Schulhof, wir müssen dann regelmäßig dazwischengehen. Das erschrickt mich und meine Kolleginnen. Wir fragen uns immer wieder: 'Wo kommt das her?'."
Simone Schuhmann ist Erzieherin an der Grundschule Eichelkamp in Wolfsburg"Am Anfang fand ich das Homeschooling ganz cool, man hatte viele Freiräume. Aber dann habe ich gemerkt, dass die auch hinderlich beim Lernen sind und die Kontakte fehlen. Daher finde ich es gut, dass wir wieder in Präsenz sind und dass man wieder sozial interagiert.
Die Angst vor Corona hält sich bei uns in Grenzen. Wir haben ja strenge Auflagen mit Maske tragen im Unterricht und Abstand halten. Es halten sich auch alle dran und wir lüften alle 20 Minuten durch. Die Auflagen sind nicht so cool, aber sie sind nötig und wir fühlen uns wohl. Ich denke mal, nach den Herbstferien wird es wieder ins Homeschooling gehen, weil die Inzidenzen steigen werden. Dann würden wir nicht mehr in der Klasse sein und das wäre aus schulischer und sozialer Sicht nicht so toll. Aber dann ist es halt so."
Tim, Schülersprecher Jahrgang 12 der IGS Wunstorf"Es ist schön, wieder in der Schule zu sein und nicht mehr im Homeschooling. Wir haben eine dauerhafte Maskenpflicht auf dem Gelände, wenn gelüftet wird, dürfen wir die Maske abnehmen und fünf Minuten Maskenpause machen. Und natürlich Abstand halten. Jeder Jahrgang hat einen eigenen kleinen Bereich auf dem Schulhof. Da werden dann von den Klassenlehrern die Tests kontrolliert, erst dann dürfen wir rein. Das funktioniert tatsächlich sehr gut.
Ich schätze, dass es wie momentan weiterlaufen wird. Dass wir die Masken aufbehalten müssen, zum Schutz der Ungeimpften. Ich hoffe trotzdem, dass die irgendwie wegkommen. Ich finde, Jugendliche und Kinder werden von der Politik ziemlich ausgeblendet, ich wünsche mir, dass man da mehr Rücksicht auf uns nimmt. Man darf uns nicht ausblenden."
Finn, Schülersprecher Jahrgang 8, IGS Wunstorf"Wir hatten vor allem in der 12 so viel Homeschooling - da wurden ein paar Themen weggestrichen, aber ich würde schon sagen, dass wir echt einen Nachteil haben. Das alles aufzuarbeiten, wird schon hart. Ich wünsche den jetzigen 12ern, dass die nicht so lange im Homeschooling bleiben müssen wie wir.
Wenn Corona ist, kann man keine Abipartys schmeißen. Auch die Abifahrt wird wahrscheinlich ausfallen, oder es werden zumindest nur drei Tage Harz und nicht eine Woche Südfrankreich. Es sind auch viele 18 Jahre alt geworden - und auch das hat nicht so richtig stattgefunden. Das ist schon echt schade.
Ich habe zwei große Schwestern und wenn die aus ihren Oberstufen-Zeiten erzählen, war das ein ganz anderes Leben. Aber immer unterwegs sein und so, das geht halt nicht. Und wenn man sich fünf Monate nicht gesehen hat, macht das auch viel mit der Gemeinschaft. In den ersten Wochen in diesem Schuljahr wurde viel für die Gemeinschaftsstärkung gemacht: Wir waren als Klasse im Heide Park, hatten ein Sportturnier und Projektwochen. Das war auch nötig, denn wir konnten uns irgendwie nicht mehr als Klasse bezeichnen, wenn wir uns nur vor dem Monitor sehen. Das ist dann schon eher Einzelkampf."
Xander, Schüler im 13. Jahrgang der IGS Wunstorf"Ich freue mich, dass ich mit meinen Freunden wieder zusammen sein kann. Das ist auf jeden Fall besser als alles allein machen zu müssen. Aber ich habe auch ein komisches Gefühl mit Blick auf Herbst und Winter, weil wir letztes Jahr gesehen haben, wie schnell es gehen kann. Da saßen wir auf einmal die Hälfte des Schuljahres zu Hause.
Es total blöd diese Unsicherheit zu haben. Klar, niemand kann garantieren wie es weitergeht, aber es ist einfach auch sehr schwer für uns und es fehlt die Sicherheit.
Man muss es einfach akzeptieren und damit klarkommen und wir müssen das Beste draus machen. Auch wenn diese Corona-Zeit uns den schönen Teil dieser Schulzeit geraubt hat. Die Feiern, die Treffen und auch das Lernen mit Freunden - das alles fiel einfach weg. Ich wünsche mir, dass das neue Schuljahr geregelter läuft und wir Hilfe bekommen diesen Weg zu meistern."
Pia, Schülerin im 13. Jahrgang der IGS Wunstorf"Unser Ziel ist es, die Corona-Bedingungen so gering wie möglich spürbar zu machen. Wir haben deshalb den Start des Schuljahrs im Sinne eines projektartigen Arbeitens und Lernens gestaltet. Für uns heißt das auch, erst einmal Beziehung zu stiften und die Klassen sich als Klassen zusammenfinden zu lassen. Erstmal wieder ein Gefühl dafür zu bekommen, was es heißt, zur Schule zu gehen. Denn viele waren davon sehr entbunden.
Mit Blick auf den Herbst hoffe ich einfach auf sehr viel Verantwortung der Familien für ihre Kinder und für sich selbst. Ich habe keine große Angst, nein - ich bin zuversichtlich. Denn ich glaube schon, dass alle wissen, dass es auf jeden und jede ankommt. Ich glaube, dass auch die Lehrkräfte es genießen, nicht mehr mehrere Formate nebeneinander bedienen zu müssen. Ich hoffe sehr darauf, dass es möglich sein wird, so viele Lernende wie möglich hier zu behalten und die häuslichen Isolationsmaßnahmen so gering wie möglich zu halten. Die Schülerinnen und Schüler selber tragen, so spüre ich das zumindest, eine große Verantwortung dafür. Die möchten nicht zu Hause sein.
"Einige Dinge haben wir aufgrund von Corona verändert, die sich auch dauerhaft bewährt haben. Klar: Es ist eine Illusion zu meinen, dass man dieses nicht regulär gestaltete Schuljahr nachholen kann. Andererseits sage ich aber auch, dass Homeschooling ja nicht Unterricht und Lernen unmöglich gemacht hat. Wir hatten eine sehr klare Struktur und konnten so im Portfolio und in Untergruppen, digital miteinander lernen. Wir hatten auch sehr viel Notbetreuung für die Kinder, die sie besonders gebraucht haben.
Ich glaube, wir sollten der Pandemie eine konstruktive Perspektive abgewinnen und schauen, inwiefern Dinge besser und anders laufen können. Dass Schule kostbar sein kann, dass Schule ein schöner Ort, gar ein Sehnsuchtsort sein kann, das haben die Schülerinnen und Schüler im letzten Jahr erfahren. Ich gehe davon aus, dass sie das auch für sich selbst pflegen und weiterentwickeln wollen.
Die Masken, die unsere Schülerinnen und Schüler tragen, schützen vor weiterführenden Maßnahmen. Ich glaube, dass da auch bundesweit eine einheitliche Regelung sinnvoll wäre. Wichtig ist mir, dass sie eben - wenn nötig - noch in häusliche Isolation gehen, weil ich glaube, dass wir gerade bei der Delta-Variante verhindern müssen, dass sie sich weiterträgt. Das verstehen auch die Kinder."
Schulleiterin Elke Helma Rothämel, IGS Wunstorf