"Die Menschen müssen im Fokus stehen, nicht das Geld."
Mehr als 19 Jahre lang hat Vizepräsident Rolf Krämer die Finanzen von Deutschlands größter evangelischer Landeskirche verantwortet. Zusammengerechnet hat er dabei rund zwölf Milliarden Euro verplant. Jetzt tritt er in den Ruhestand.
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Mit zügigen Schritten geht Rolf Krämer zum Aktenschrank, öffnet die Tür und zieht einen rosa eingeschlagenen Band heraus. „So sieht er aus“, strahlt er. Der Haushaltsplan von Deutschlands größter evangelischen Landeskirche, 650 Millionen Euro schwer. Rund 300 eng bedruckte Seiten mit 30.000 Zahlen, sorgfältig aufgelistet in Einnahmen, Ausgaben und Haushaltsstellen, das Ergebnis mehrmonatiger Puzzlearbeit. „Das ist immer ein Knobeln: Passt das oder passt das nicht?“ 19 Jahre lang hat der Juristische Vizepräsident des Landeskirchenamtes in Hannover mit seinem Team an solchen Plänen gefeilt. Der rosafarbene Band ist sein letzter, denn der 66-Jährige geht Anfang Oktober in den Ruhestand.
Alles in allem hat Krämer während seiner Amtszeit als Finanzchef der hannoverschen Landeskirche zwölf Milliarden Euro an Kirchensteuern verplant. Anders als bei staatlichen Haushalten, die noch weitaus höhere Summen bewegen, gibt es bei kirchlichen Etats eine Besonderheit: „Die Einnahmen müssen immer größer sein als die Ausgaben“, betont Krämer. Denn Schulden machen, um den Haushalt auszugleichen, ist bei der Landeskirche tabu: „Das ist ein eiserner Grundsatz. Sonst würden wir ja jetzt schon das Geld unserer Kinder verbraten. Das wäre nicht nachhaltig.“
Außerdem wäre es riskant, denn die Zahl der Kirchenmitglieder ist seit Jahren rückläufig. Wenn also die Ausgaben davongaloppieren, „dann haben wir ein Problem“, sagt der Finanzchef. „Dann müssen wir nochmal in eine Nachtsitzung gehen.“ Der fein austarierte Haushaltsplan wird dann der Synode zur Abstimmung vorgelegt, denn das Kirchenparlament hat das Haushaltsrecht in der evangelischen Kirche.
Gemeinsam mit den Synodalen hat Rolf Krämer schon so manchen Euro zweimal oder gar dreimal umgedreht, wenn es finanziell eng wurde, weil Kirchensteuern fehlten. Zu Beginn seiner Amtszeit fuhr die Landeskirche ihren Haushalt gleich um 81,5 Millionen Euro zurück, verschlankte Strukturen und überführte Bildungseinrichtungen in die Selbstständigkeit. „Das war nicht einfach, weil es ein Stück weit an die Substanz ging.“ Doch die Kirche schaffte es wieder in ruhigeres Fahrwasser.
Rund 30.000 hauptamtlich Mitarbeitende hängen vom Haushalt der hannoverschen Landeskirche ab, die insgesamt rund 2,4 Millionen Mitglieder hat. Die Kirchensteuern werden an 48 Kirchenkreise und 1.230 Gemeinden sowie zahlreiche Einrichtungen zwischen Harz und Nordsee weitergeleitet, die jeweils noch einmal eigene Haushalte haben - und insgesamt rund 100.000 Ehrenamtliche. Mit dem Geld könne die Kirche viel Gutes bewirken, betont der Finanzchef - von den Kindertagesstätten über die Kultur bis zur Flüchtlingsarbeit.
Für seine Aufgabe war Krämer bestens vorbereitet. Nach einer Banklehre studierte der gebürtige Siegerländer erst Betriebswirtschaft und dann Jura. An der Ruhr-Universität in Bochum arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Steuerrecht und promovierte, bevor er 1993 nach Hannover kam. Doch noch etwas anderes sei äußerst wichtig gewesen, erzählt er: sein langjähriges ehrenamtliches Engagement in der kirchlichen Jugendarbeit: „Ich habe immer sehr stark von der ehrenamtlichen Arbeit gezehrt. Weil ich ein Gefühl dafür hatte, was Ehrenamtliche erwarten für ihren Dienst in der Kirche.“
Krämer wird deshalb nicht müde zu betonen: „Es kommt nicht auf die Kirchensteuer und nicht auf das Geld an. Wir wollen keine Reichtümer ansammeln.“ Der Fokus müsse auf den Menschen liegen, sagt er und unterstreicht das Gesagte mit einer schwungvollen Armbewegung. „Wir müssen über die christliche Botschaft reden, das ist unser Output. Wenn die Menschen uns vertrauen, sorgen sie auch dafür, dass die Finanzgrundlagen der Kirche stimmen.“
epd-Landesdienst Niedersachsen-Bremen