Startseite Archiv Tagesthema vom 21. August 2021

Vergleichen

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Menschen vergleichen. Die eigene Situation mit der von anderen.

Kinder machen das fast automatisch: Wenn ein Kind ein Eis hat, will das nächste auch. Sonst ist das ungerecht – und es gibt Tränen.

Aber Erwachsene hören damit nicht auf. Meine Freundin hat ständig Glück in ihrem Leben. Im Beruf. Mit ihrer Figur. Bei den Männern. Und ich? Das ist doch alles ungerecht!

Kain, der seinen Bruder Abel erschlägt, verlässt das Land. Er fürchtet, selbst erschlagen zu werden.

Gott schützt ihn. Mit dem Kainsmal. Damit ist er gekennzeichnet als der, der seinen Bruder erschlagen hat. Und dann schützt ihn dieses Zeichen. Er soll nicht aus Rache erschlagen werdenj

Menschen vergleichen. Menschen machen sich damit oft unglücklich. Die Bibel erzählt immer wieder von Menschen, die vergleichen. Und aus ihrer Not heraus, eine Ungerechtigkeit zu empfinden, auch auf grausame Lösungen kommen. Josefs Brüder wollen den kleinen Strahlemann loswerden und verkaufen ihn an eine Karavane. Kain hält es nicht aus, dass Abel besser dasteht und schlägt ihn tot. Unter Brüdern ist das Vergleichen scheinbar besonders gefährlich.

Jesus erzählt von zwei Männern. Einem Pharisäer und einem Zöllner. Beide gehen in den Tempel, um zu beten. Der Zöllner ist ganz bei sich. Der Pharisäer vergleicht. In seinen Augen kommt er selbst besser weg als der andere. Darin liegt sein Irrtum.

Jesus zieht das Fazit: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.

Viel später hat Luther den Ausspruch über den Menschen an sich geprägt: simul iustus et peccator. Der Mensch ist gleichzeitig gerechtfertigt und Sünder. Er ist beides. Weil der Zöllner den Sünder in sich sieht, ist er gerechtfertigt bei Gott.

Luther hat diese Erkenntnis bei der Lektüre von Texten des Apostels Paulus gewonnen. Im Lukasevangelium entdecke ich es auch. Und das Überzeugende daran, finde ich, ist das Gleichzeitige. Menschliche Existenz ist nicht eindeutig. Auch diese Medaille hat zwei Seiten. Das zu erkennen, erfordert viel Liebe. Wahrscheinlich besonders sich selbst gegenüber.

Amen.

Jakob Kampermann
Bild: un-perfekt/pixabay.com

Der Bibeltext

 Adam erkannte seine Frau Eva, und sie ward schwanger und gebar den Kain und sprach: Ich habe einen Mann gewonnen mithilfe des Herrn. Danach gebar sie Abel, seinen Bruder. Und Abel wurde ein Schäfer, Kain aber wurde ein Ackermann.

Es begab sich aber nach etlicher Zeit, dass Kain dem Herrn Opfer brachte von den Früchten des Feldes. Und auch Abel brachte von den
Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Und der Herr sah gnädig an Abel und sein Opfer, aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an. Da ergrimmte Kain sehr und senkte finster seinen Blick.

Da sprach der Herr zu Kain: Warum ergrimmst du? Und warum senkst du deinen Blick? Ist’s nicht so: Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie.

Da sprach Kain zu seinem Bruder Abel: Lass uns aufs Feld gehen! Und es begab sich, als sie auf dem Felde waren, erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot. Da sprach der Herr zu Kain:
Wo ist dein Bruder Abel? Er sprach: Ich weiß nicht; soll ich meines Bruders Hüter sein? Er aber sprach: Was hast du getan? Die
Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde. Und nun: Verflucht seist du auf der Erde, die ihr Maul hat aufgetan und deines Bruders Blut von deinen Händen empfangen. Wenn du den Acker bebauen wirst, soll er dir hinfort seinen Ertrag nicht geben. Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden.

Kain aber sprach zu dem Herrn: Meine Schuld ist zu schwer, als dass ich sie tragen könnte. Siehe, du tribst mich heute vom Acker, und
ich muss mich vor deinem Angesicht verbergen und muss unstet und flüchtig sein auf Erden. So wird mir’s gehen, dass mich totschlägt, wer mich findet. Aber der Herr sprach zu ihm: Nein, sondern wer Kain totschlägt, das soll siebenfältig gerächt werden. Und der Herr machte ein
Zeichen an Kain, dass ihn niemand erschlüge, der ihn fände.

So ging Kain hinweg von dem Angesicht des Herrn und wohnte im Lande Nod, jenseits von Eden,

Genesis 4, 16
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Bild: Wiebke Ostermeier/lichtemomente.net

Der Autor

Jakob Kampermann. Bild: Jens Schulze