Startseite Archiv Tagesthema vom 23. März 2021

„Sich dem Schweren stellen und zugleich das Leben feiern“

Friedrich Selter war als Pastor und Superintendent lange Jahre in Wuppertal und Göttingen tätig. Jetzt ist er Regionalbischof in Osnabrück. In seiner ersten Predigt rief er die Menschen dazu auf, in schweren Zeiten den Mut nicht zu verlieren.

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Landesbischof Ralf Meister hat am Sonntag Friedrich Selter als neuen Regionalbischof des Sprengels Osnabrück eingeführt. Er stellte den 58-Jährigen während des Gottesdienstes in der Marienkirche  als „Mann für den Walking Bass“ vor, als einen, "der die Grundlinie legt, den Rhythmus hält und allen anderen die Freiheit zum Spiel lässt, einem Spiel, dass Freude macht und den Menschen dient." .Auf seine Anregungen, Impulse und die Lust, etwas Neues gestalten zu wollen, freue sich der Sprengel Osnabrück, sagte Meister während der Feier, die coronabedingt im kleinen Kreis gefeiert und per livestream übertragen wurde.

Selter habe zudem während seiner Zeit als Pfarrer in Wuppertal und zuletzt als Superintendent in Göttingen gezeigt, dass er Menschen motivieren könne. "Dieser Mann hat Ideen, aber auch Ausdauer", betonte Meister. Er rief zugleich die Kirche insgesamt dazu auf, mutiger und spielerischer zu improvisieren und Grenzen zu überschreiten. "Niemand kommt zum Glauben durch harte Argumente, durch Folgen von Regeln oder Gesetzen."

Regionalbischöfin a.D. Birgit Klostermeier, Landesbischof Ralf Meister und Regionalbischof Friedrich Selter. Bild: BK Photography

Friedrich Selter ermutigte in seiner Predigt die Menschen, gerade angesichts der Herausforderungen durch die Corona-Pandemie zu Hoffnung und Zuversicht. Der Glaube an Gott biete "eine Hoffnungsperspektive, die sich dem Verstand oft verschließt, ja, gegen die der Verstand sogar opponiert, weil die Wirklichkeit ihr so krass zu widersprechen scheint".

Nach einem Jahr Corona und der aktuell dritten Infektionswelle sehnten sich die Menschen nach Normalität, sagte Selter und äußerte Verständnis: "Wir sind es so leid." Alle bräuchten jetzt eine Hoffnung, die mehr sei "als das Pfeifen im Walde". Die Hoffnung müsse sich auf dem Vertrauen auf Gott gründen und auf den Menschen, die sich gegenseitig Mut zusprächen, betonte der neue Regionalbischof. Er forderte die Gläubigen auf, "nach denen zu fragen, denen wir zu Nächsten werden können. Weil die Nächstenliebe unserem Glauben und unserer Hoffnung ein Gesicht gibt." Selters neuer Kirchenbezirk umfasst 112 Kirchengemeinden in Stadt und Landkreis Osnabrück sowie im Landkreis Diepholz.

Regionalbischof Friedrich Selter. Bild: BK Photography

Während des Gottesdienst verabschiedete Meister auch Selters Amtsvorgängerin Birgit Klostermeier (61). Der Landesbischof lobte sie als aufmerksame Beobachterin, die Menschen im Sprengel Osnabrück mit all ihren Gaben sichtbar gemacht habe. Klostermeier war vor einem Jahr vorzeitig in den Ruhestand gegangen. Die ursprünglich geplante Verabschiedung war damals wegen des ersten Corona-Lockdowns abgesagt worden.

Der katholische Bischof Franz-Josef Bode dankte Klostermeier für ihre ökumenische Zusammenarbeit. Er verabschiede sie mit großer Wehmut. "Ihre wache, feinsinnige sensible Weise, ihren Dienst zu gestalten und mit uns Katholiken umzugehen, hat mich immer beeindruckt."

epd-Landesdienst Niedersachsen-Bremen/Öffentlichkeitsarbeit im Sprengel Osnabrück
Bischof Dr. Franz-Josef Bode, Regionalbischöfin a.D. Dr. Birgit Klostermeier, Regionalbischof Friedrich Selter, Landesbischof Ralf Meister (v.l.n.r.). Bild: BK Photography

Das ist der neue Regionalbischof

In einem Fragebogen hat Friedrich Selter einmal geschrieben, er ärgere sich über "Pingelsköppe". Das Wort meint soviel wie "kleinlicher Querulant" und wirft ein Licht auf die Herkunft des neuen Osnabrücker Regionalbischofs: Der 58-Jährige stammt aus Moers am Niederrhein. Nach der Schule pendelte Selter quasi zwischen Wuppertal nahe der alten Heimat und Göttingen, also zwischen der Evangelischen Kirche im Rheinland und der hannoverschen Landeskirche: Studium in beiden Städten, Vikariat in Göttingen, 17 Jahre Pfarrer in Wuppertal-Elberfeld, zuletzt elf Jahre Superintendent in Göttingen. Und nun also Osnabrück. "Es waren gesegnete Jahre in beiden Städten. Ich hoffe, dass es mir auch gut gelingt, wenn ich jetzt mal vom Pfad abweiche", sagt Selter und lacht.

 

Dabei kennt der Regionalbischof seine neue Heimatstadt noch gar nicht so richtig. Erst seit kurzem wohnt er in Osnabrück. Die Marienkirche, in der er am Sonntag eingeführt wurde, ist ihm schon vertraut. Mit seiner Frau, der Kulturpädagogin Stefanie Selter, hat er sich auch den katholischen Dom schon angesehen. Ein gutes ökumenisches Miteinander kenne er aus Göttingen und das werde er auch in Osnabrück pflegen, sagt Selter. "Mir ist wichtig, dass wir eine lebendige und offene Kirche sind, die nahe bei den Menschen ist." Er will ein Vertrauensverhältnis zum katholischen Bischof Franz-Josef Bode aufbauen und ökumenische Gottesdienste feiern. "Aber auch über die möglicherweise noch kontroversen Themen möchte ich diskutieren."

Aus Göttingen nimmt er nicht nur die Ökumene, sondern auch das Flüchtlingsthema mit an seine neue Wirkungsstätte. Im Grenzdurchgangslager Friedland war er Vorstandsvorsitzender des dortigen Vereins "Innere Mission und Evangelisches Hilfswerk". Einige Monate hat er den Lagerpastor vertreten. Auch die Menschen im Ankunftszentrum Bramsche-Hesepe wird er in seine Arbeit einbeziehen: "Ich will den Menschen zeigen: Hier seid ihr willkommen, könnt zur Ruhe kommen und Perspektiven entwickeln." Die Kollekte im Einführungsgottesdienst war für die Flüchtlingsarbeit der Osnabrücker Diakonie bestimmt. Grundsätzlich hält der leitende Theologe es für selbstverständlich, "dass Kirche sich in gesellschaftlichen Fragen zu Wort meldet und Verantwortung übernimmt".

 

Am Herzen liegt ihm auch die soziale Frage. Das ließ Selter etwa in einer Andacht zum 1. Mai vergangenen Jahres erkennen. Die Wachstumsideologie produziere Gewinner und Verlierer, kritisierte der Vater von drei erwachsenen Töchtern. Nötig sei aber ein Ausgleich zwischen Reichen und Armen. "Kein Auskommen mit dem Einkommen passt nicht zu dieser biblischen Sicht auf die Gesellschaft. Eine Gesellschaft ohne Verlierer ist zugleich die Grundlage für Frieden."

 

Auch in der Corona-Krise komme es mehr denn je darauf an, "dass einer den anderen trägt", sagte er im vergangenen Jahr in einem Gottesdienst im Autokino in Göttingen. Das sei "das, was man heute Solidarität nennt". Dazu gehört für den Theologen auch das Miteinander von Kirchengemeinden und Diakonie. In Göttingen habe er mit anderen ein großes "Forum Diakonie und Kirche" mitten in der Innenstadt verwirklicht. "Dieses und viele weitere Projekte habe ich mit einem weinenden Auge verlassen."

 

Für den Neustart ist Selter dennoch optimistisch. Dass der mitten in die Corona-Krise fällt, ficht ihn nicht an. Es sei auch eine Chance, in vielen kleinen Begegnungen und bei Spaziergängen die Menschen und Orte in seinem neuen Sprengel kennenzulernen, findet er. Der umfasst im wesentlichen Stadt und Landkreis Osnabrück sowie den Landkreis Diepholz mit 112 Kirchengemeinden und 300.000 Gläubigen.

 

In seiner Freizeit hört der Regionalbischof gerne Musik - von Klassik über Jazz bis Rock. Er spielt selbst E-Bass und in einer Swing-Band auch Kontrabass. Selter verzichtet seit 30 Jahren aufs Fernsehen und fährt leidenschaftlich gerne Fahrrad - mal gemütlich, mal sportlich per Mountainbike oder Rennrad. "Ich freue mich schon, mit dem Rad das Osnabrücker Land zu erkunden."

epd-Landesdienst Niedersachsen-Bremen
Friedrich Selter_Portrait_Privatfoto
Der Regionalbischof im Sprengel Osnabrück: Friedrich Selter. Foto: Selter