Regionalbischöflicher Ruhestand
Mit Eckhard Gorka und Dieter Rathing sind im März gleich zwei Regionalbischöfe in den Ruhestand gegangen. Dieter Rathing war für den Sprengel Lüneburg seit 2011 verantwortlich, Eckhard Gorka stand seit 1999 bzw. 2006 an der Spitze des Sprengels Hildesheim-Göttingen.
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Zweifel am Glauben sind dem Hildesheimer Regionalbischof Eckhard Gorka immer wieder mal gekommen. "Ich habe viele dramatische Ereignisse miterlebt, aber keines hatte das Potenzial, meinen Glauben kaputtzumachen", sagt der 65-jährige evangelische Theologe. Seine Berufswahl habe er keinen Tag lang bereut. Ende ist Gorka nach 40 Berufsjahren in den Ruhestand gegangen - der Abschiedsgottesdienst wurde wegen Corona in den Sommer verschoben.
Der gebürtige Braunschweiger erinnert sich etwa noch genau an das Zugunglück von Eschede vor mehr als 20 Jahren. Als einer der Notfallseelsorger habe er damals eine von insgesamt 101 Todesnachrichten überbracht. "Ich habe den Zug gesehen und die Fragilität unserer Hochleistungstechnik, die wie ein Haufen Schrott da lag." Auch dramatische Trauerfälle, etwa Beerdigungen von Jugendlichen, haben seinen Glauben immer wieder auf den Prüfstand gestellt.
Zwei Männer wandern auf ihre Hütestäbe gestützt durch die Lüneburger Heide, Schafe und Ziegen um sie herum. Für Dieter Rathing zählt das Praktikum beim Schäfer Ralf Bachmann zu den eindrücklichen Begegnungen in zehn Jahre Amtszeit als Regionalbischof in Lüneburg. Immer wieder ist der 64-Jährige in andere Lebenswelten eingetaucht und hat mit angepackt, vor zwei Jahren eine Woche lang beim Schäfer. "Das Schönste dabei war die Ruhe", sagt Rathing heute, kurz vor seinem Abschied aus dem Dienst. "Manchmal haben wir zwei Stunden lang nichts gesagt, uns dann wieder intensiv unterhalten."
Als einen Mann des Wortes und noch mehr des offenen Ohres, schildern Weggefährtinnen und -gefährten Rathing, der zum April in den Ruhestand tritt. An der richtigen Stelle Einspruch zu erheben oder Zuspruch zu leisten und in Predigten auch mal mit ungeahnten Wendungen zum Nachdenken anzuregen, das kennzeichnet für Rathing selbst sein Amt an der Spitze des Kirchensprengels.
Für den Fall, dass ihm "der Glaube abhandenkommt", habe er schon früh vorgesorgt, sagt Eckhard Gorka. So studierte er in Göttingen und München nicht nur Theologie, sondern im Nebenfach auch Zeitungswissenschaften. "Wenn man bei der Theologie nicht mehr auf den eigenen Glauben bauen kann, dann kann man ja nicht ein Gottesschauspieler werden oder so tun als ob", sagt er. Zum sogenannten Plan B ist es aber nie gekommen.
Seine journalistische Ausbildung konnte Gorka dennoch immer wieder fruchtbringend im Berufsleben einsetzen. Schon während seiner Probezeit als Pfarrer in Jork im Landkreis Stade schrieb er für die Stader "Evangelische Zeitung". 1988 wurde Gorka Leiter der Pressestelle der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. "Eine spannende Zeit", findet der Theologe im Rückblick: von der Öffnung der innerdeutschen Grenze über Fragen zu gleichgeschlechtlichen Paaren im Pfarrhaus bis hin zu den politischen Auseinandersetzungen um die Castor-Transporte nach Gorleben.
Ursprünglich wollte der Sohn eines Maschinenarbeiters und einer Kassiererin Kapitän werden, doch das scheiterte an seiner Farbenblindheit. Die engagierte kirchliche Jugendarbeit in seinem Heimatort Aerzen bei Hameln, in der er selbst seit der Konfirmation aktiv war, ebnete Rathing dann den Weg. "Das war prägend für meine Frömmigkeit", sagt er heute. Nach dem Theologiestudium in Tübingen und Göttingen war er in vier sehr unterschiedlichen Orten tätig. Er war Vikar in Stade an einem sozialen Brennpunkt, Pastor in Osnabrück an einer City-Kirche und zehn Jahre Superintendent in Verden, bevor er nach Lüneburg wechselte.
Als Regionalbischof setzte Rathing dort auch unkonventionelle Akzente. Dazu gehörten die Praktika, die er einmal pro Jahr absolviert hat. Er arbeitete je eine Woche, beim Bäcker, in der Theaterwerkstatt oder beim evangelischen Dorfhelferinnenwerk, dessen Vorsitzender er ist und zunächst noch bleiben wird. Den Blick zu weiten, das sei ihm immer wichtig gewesen, sagt er. In der Corona-Krise gelte dies noch einmal mehr. "Wir können zum Beispiel über ausfallende Gottesdienste klagen, sollten aber dabei die Kulturbranche nicht aus dem Blick verlieren, der es an die Existenz geht." Initiativen, mit denen die Kirche Solidarität zeige, seien umso wichtiger.
1993 wurde Eckhard Gorka Superintendent des Kirchenkreises Soltau und damit Dienstvorgesetzter von kirchlichen und diakonischen Mitarbeitern. Sieben Jahre später, im Jahr 2000, wurde ihm dann die Stelle des Landessuperintendenten für den Sprengel Hildesheim angeboten.
Wenn er auf die vergangenen 20 Jahre zurückblicke, bleibe ihm vor allem die Zusammenlegung der beiden Sprengel Hildesheim und Göttingen nachhaltig in Erinnerung, erzählt er. Seit 2007 ist Gorka für ein Gebiet zwischen Peine und Hameln, Hildesheim und Göttingen zuständig. Rund 460.000 evangelische Christinnen und Christen leben im südlichsten der insgesamt sechs Sprengel. Die "Toskana der Landeskirche" sei von einem unglaublichen Reichtum an Sakralgebäuden geprägt, schwärmt Gorka.
Obgleich der Sprengel groß ist und die Wege weit sind, besteht für Gorka ein idealer Arbeitstag aus möglichst vielen persönlichen Begegnungen und möglichst wenig Zeit im Büro. "Ich fand meinen Beruf schon beeindruckend, als ich an einem Tag sowohl ein Polizeipräsidium als auch eine forensische Psychiatrie besucht habe. Und überall gingen die Türen auf." Größere Kontraste und unterschiedlichere Einblicke bieten wohl nicht allzu viele andere Berufe, ist Gorka überzeugt.
Die Zukunft der Kirche sieht Gorka optimistisch. Er will sie nicht allein an Studien festmachen, die eine drastisch sinkende Kirchenmitgliederzahl bis 2060 prognostizieren. "Da muss man schon noch mal mit der Gegenwart Gottes rechnen - und die ist nicht berechenbar für uns Menschen." Die Kirche sei zwar kleiner geworden, aber in gleichem Maße auch deutlich lebendiger, sagt er etwa mit Blick auf die vielen Menschen, die sich zu Prädikanten und Lektoren ausbilden lassen. In seinen gesamten 40 Berufsjahren sei außerdem noch nie so intensiv über das Weihnachtsfest diskutiert worden, wie im vergangenen Jahr. "Es ist zu früh für einen Abgesang auf die Kirche."
Dieter Rathing geht mit 64 Jahren vorgezogen aus dem Amt. Das hatte er länger geplant, gemeinsam mit seiner Frau Heidi. Mit ihrem plötzlichen Tod im Januar kam alles anders. Das hat ihn "aus der Bahn geworfen", wie er sagt. Auch deshalb ist seine offizielle Verabschiedung auf den 18. Juli verschoben worden. Dann wird auch sein Nachfolger Stephan Schaede eingeführt. Dieter Rathing führt jetzt der Weg wieder oft nach Verden. Dort lebt einer seiner beiden Söhne, auch der andere wird bald hinziehen. Vor allem wurde dort kurz vor Weihnachten sein erster Enkel geboren.
So manchen Arbeitsplatz hat der Regionalbischof in den Praktika erkundet und seine Neugier auf Menschen endet nicht. Doch nach fast 40 Jahren im kirchlichen Dienst betont er: "Mein Beruf hat mich erfüllt. Ich möchte keinen anderen gehabt haben."
Wie seine persönliche Zukunft aussieht, lässt Eckhard Gorka größtenteils offen. "Ich habe kein Gefühl dafür, wie es ist, wenn man nicht arbeiten muss." Er werde in Hildesheim wohnen bleiben, wo seine Frau als Landespastorin für die Bläserarbeit in der hannoverschen Landeskirche weiter arbeite. Einige Ehrenämter werde er zunächst weiterführen. Bis zu seinem 70. Lebensjahr bleibe er Abt des Klosters Amelungsborn bei Holzminden und bis 2023 Mitglied des NDR-Verwaltungsrats. Und von einem ist Gorka nach wie vor fest überzeugt: Jederzeit würde er wieder Theologie studieren. "Ich bin die ganze Zeit in meinem Beruf ausgesprochen glücklich gewesen."
Texte: epd-Landesdienst Niedersachsen-Bremen