Lernräume: "Ein Lichtblick in diesen Zeiten"
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Lernraum-Projekte haben beim ersten Corona-Shutdown mit vielen Bildungsangeboten die Not der Schulkinder gelindert. In der Kindertafel Lüneburg federn 50 Ehrenamtliche die erneuten Schulschließungen ab.
Sie essen täglich mit etwa 20 Kindern Mittag und helfen bei den Hausaufgaben.
Diakonin Antje Stoffregen (57) leitet mit zwei weiteren Kolleginnen die Kindertafel Lüneburg, ein gemeinwesenorientiertes, diakonisch-pädagogisches Angebot der Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde. Normalerweise essen die Freiwilligen dort seit vielen Jahren mit Kindern, lernen für die Schule und bieten Freizeitaktivitäten an. Seit Beginn der Corona-Pandemie ist das Angebot ein landesweites Pilotprojekt der „Lernräume“, mit denen Kirchen und Land Niedersachsen gemeinsam helfen wollen, dass Kinder in der Krise weiter lernen und Gemeinschaft haben können.
Frau Stoffregen, bei Ihnen in Lüneburg hat das Projekt „Lernräume“ im vergangenen Jahr seinen Anfang genommen - mit Hausaufgabenbetreuung und vielen Ehrenamtlichen, um die Last der Corona-Schulschließungen zu mildern. Seitdem sind viele ähnliche Projekte im ganzen Land dazugekommen. Wie sieht es aktuell bei Ihnen aus?
Antje Stoffregen: Es besteht nach wie vor ein großer Bedarf, den wir trotz widriger Umstände täglich erfüllen. Aktuell kommen pro Wochentag 20 Kinder zu uns, acht weitere sind im Wechsel dabei, dazu stehen zwölf Kinder auf der Warteliste. Ohne unsere 50 aktiven Ehrenamtlichen könnten wir das alles überhaupt nicht leisten. Von 16 bis 75 Jahren ist da alles dabei - manche aus der Kurzarbeit, andere im Ruhestand und auch Studierende. Wieder andere sind nicht vor Ort, sondern helfen aus dem Home Office bei der Organisation.
Es ist im Augenblick oft die Rede davon, dass Jugendliche die großen Verlierer der Lockdown-Einschränkungen sind. Welchen Eindruck haben Sie?
Antje Stoffregen: Als die Kinder nach den langen Weihnachtsferien zurückkamen, haben sie eigentlich alle gesagt: Es war so langweilig. Und nach unseren Eindrücken haben das Lesen und Deutschlernen bei vielen tatsächlich merklich nachgelassen. Zu Hause bekommen viele eben nicht die Lernunterstützung und waren entsprechend froh, wieder hierher kommen zu können. Die nutzen die Zeit mit ihrem Tandem-Lernpaten sehr intensiv zum Erzählen, aber sie wollen auch unbedingt lernen. Wir alle finden diese Erfahrung sehr berührend.
Wie sieht Ihre Arbeit seit dem Jahresbeginn ganz konkret aus?
Antje Stoffregen: Wir haben im Grund durchgehend seit dem Frühjahr 2020 ein ähnliches Angebot gemacht - nur immer angepasst an die aktuellen Bestimmungen und Möglichkeiten. Es gibt aktuell zwei Startzeiten am Nachmittag, die Kinder essen mit ihren Lernpaten zu zweit in ihrem Lernraum und können erzählen. Danach arbeiten sie gemeinsam an den Schulaufgaben. Da viele Kinder mit Migrationshintergrund bei uns sind, sind das Sprechen, Lesen und Schreiben für sie besonders wichtig. Jedes Tandem kann einen eigenen Raum nutzen - Gott sei Dank bietet unser Gemeindehaus so viel Platz. Dabei praktizieren wir alle akribisch das Händewaschen, Maskentragen und Abstandhalten. Das alles geschieht im Rahmen der Kindertafel, in der wir mit knapp 100 Ehrenamtlichen gute Konzepte haben. Wir sind etwa schon sehr gut mit den Schulen vernetzt und können unser Angebot eng abstimmen.
Die Landeskirche und auch das Land Niedersachsen wollen überall Menschen ermutigen, Lernräume zu öffnen. Was können Sie denen empfehlen, die auch ein ähnliches Angebot starten wollen?
Antje Stoffregen: Es ist immer sinnvoll, klein anzufangen. Solche Projekte brauchen ein klares Konzept, verlässliche Rahmenbedingungen und Begleitung der ehrenamtlich Engagierten. Wir hatten mit der Kindertafel schon gute Verbindungen zu den Schulen, dazu den großen Kreis von Ehrenamtlichen. Wer neu beginnt, sollte zunächst das Gespräch mit der Schule suchen und fragen, was aus deren Sicht sinnvoll ist. Ehrenamtliche haben wir schnell gefunden. Insgesamt gilt es einfach zu schauen, was unter den lokalen Bedingungen möglich ist. Bei uns unterstützen jeden Wochentag andere Ehrenamtliche, schließlich sind die Leute ja auch berufstätig. Eine Lehrerin etwa ist vormittags in der Schule und lernt nachmittags bei uns noch ehrenamtlich mit zwei Kindern.
Was stimmt Sie froh, trotz aller Arbeit und Einschränkungen?
Antje Stoffregen: Dass wir überhaupt etwas tun können, Gemeinschaft und Begegnung erleben können - das ist schon ein Lichtblick in dieser Zeit. Ich glaube, da spreche ich sowohl für die Kinder als auch für die Ehrenamtlichen. Wir sind froh, das alles in Absprache mit Gesundheitsamt und Stadt durchführen zu können. Sonst hätten die Kinder noch mehr Lücken. Natürlich würden wir gern mehr machen, spielen, basteln und toben. Aber das, was wir tun, ist sicher mehr als nichts. Und es macht uns in der Tat alle sehr dankbar und froh.