"Wir gehen bei den Impfungen einen guten Mittelweg"
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Markus Wedemeyer ist Arzt und Ehrenamtlicher bei dem Johannitern. Er organisiert die Impfteams im Bereich Weser-Ems und wird auch selbst gegen Corona impfen.
Im Interview erklärt er, wie der Impfstart angelaufen ist und warum ein Vergleich des Impftempos mit anderen Ländern schwierig ist.
Herr Wedemeyer, die mobilen Impfteams sind bereits im Einsatz. Wie gut läuft der Impfstart?
Wedemeyer: „Insgesamt gut, würde ich sagen. Die mobilen Impfteams sind bereits im Einsatz in Pflege- und Altenheimen, impfen Bewohner*innen und Pflegepersonal, soweit wie die Impfstoff-Mengen reichen. Es war abzusehen, dass der knapp würde – das ist natürlich nicht schön, aber nun muss der Impfstoff erstmal produziert werden. In den stationären Zentren ist auch alles startklar – wenn der Impfstoff kommt, können wir sofort loslegen.“
Welche Rückmeldungen bekommen Sie aus den Alten- und Pflegeheimen?
Wedemeyer: „Ganz überwiegend gute. Die Bewohner*innen sind froh, dass sie etwas dazu beitragen können, dass sich die Situation normalisiert, dass sie ihre Enkel wiedersehen können und so weiter. Die Mitarbeitenden haben mehr Fragen, die sich meist zerstreuen lassen. Schließlich hat Biontech den Impfstoff an über 22.000 Menschen getestet und mehr als 43.000 Menschen n die Tests einbezogen – deutlich mehr, als sonst üblich. Die Erfahrungswerte sind also viel höher, auch wenn die Langzeitstudien natürlich noch ausstehen.“
Sie selbst werden in einem stationären Zentrum Menschen impfen und haben vor wenigen Tagen einen Probelauf gemacht. Wie läuft die Impfung dort ab?
Wedemeyer: „Zuerst müssen sich die Patient*innen anmelden und einen Fragebogen ausfüllen: Gibt es Vorerkrankungen, Allergien, oder ähnliches? Der wird im nächsten Schritt mit einem Arzt oder einer Ärztin durchgesprochen. Im Probelauf hat sich gezeigt, dass wir dafür mehr Zeit benötigen, als im Vorhinein veranschlagt. Manche sagen: ,Ich bin gesund, gebt mir einfach die Impfung‘, aber manche haben noch viele Fragen, zum Beispiel zur Wirksamkeit oder möglichen Ansteckungen. Das ist ja verständlich. Wenn dann alles passt, wird geimpft. Für den Fall, dass allergische Reaktionen auftreten, bleiben die Patient*innen noch 15 Minuten vor Ort.“
Bis jetzt wurden ca. zwei Millionen Menschen in Deutschland geimpft. Andere Länder sind schneller – Israel wurde viel gelobt, auch Großbritannien impft schon länger. Wie bewerten Sie die Aussage, Deutschland sei zu langsam?
Wedemeyer: „Man muss hier zwischen Sicherheit und Schnelligkeit abwägen und ich denke, die EU hat da einen guten Mittelweg gefunden. Die Briten haben sich entschieden, schon mit einem Mittel zu impfen, das noch nicht zu Ende getestet war. Ähnlich in China und Russland: sie impfen bei einer deutlich schwächeren Datenlage. Die EU dagegen hat keine Notfallverordnung erlassen, sondern eine bedingte Zulassung. Das heißt, die Hersteller müssen weitere Daten liefern, um irgendwann regulär zugelassen zu werden. Die Länder-Vergleiche hinken also. Ich finde, dass wir einen guten Weg gehen. Wenn man noch drei Jahre mit einer Zulassung warten würde – dann würden wir alle am Stock gehen. Dann gäbe es noch mehr Kranke und Tote - wir haben die Zeit nicht.“
Sie sind Arzt und koordinieren bei den Johannitern ehrenamtlich Impfteams. Welche Rolle spielen Ehrenamtler*innen bei der Bewältigung der Pandemie?
Wedemeyer: „Eine große, das würde ich auch sagen, wenn ich Außenstehender wäre. 80 Millionen Menschen möglichst zügig zu impfen ist eine echte Mammutaufgabe, eine logistische Herausforderung. Das ist keine Packung Nudeln, die man mal eben verteilt. Das sind tiefgefrorene Impfstoffe, die korrekt aufbewahrt, zubereitet und verabreicht werden müssen. Ich kenne Teams, die nur aus Ehrenamtlichen bestehen. Ohne sie wäre es vielleicht auch machbar, würde aber viel länger dauern. Das deutsche System baut auf die zahlreichen Ehrenamtlichen.“
Sie selbst gehören zu keiner Risikogruppe und werden erst später geimpft. Mit welchem Gefühl stehen Sie morgens auf?
Wedemeyer: „Ich habe das Gefühl, dass wir jetzt gut vorankommen. Ich schaue nicht täglich auf die Infektionszahlen, das wäre auch psychisch nicht gesund. Ich schaue eher: Sind die mobilen Teams unterwegs? Gibt es irgendwo Probleme, kann ein Impfzentrum vielleicht doch schon eher starten? Die Gedanken sind also sehr bei der Frage der Pandemie-Bewältigung, nicht bei der Ohnmacht gegenüber den reinen Zahlen.“