Kraft, Liebe und Besonnenheit
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Andacht zum 16. Sonntag nach Trinitatis
Die Namen von manchen Konfirmanden kenne ich bereits nach zehn Minuten. Andere Kinder dagegen lerne ich in dem ganzen Konfirmandenjahr kaum kennen. Das hat etwas mit den Temperamenten der Kinder zu tun. Manche nutzen jede Bühne, andere halten sich lieber im Verborgenen.
Paulus stellt uns in einem Brief an den Gemeindeleiter Timotheus drei Geister vor, die ähnlich verschiedene Temperamente haben, wie die Konfirmanden:
„(Gott hat uns gegeben) den Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ (2.Tim 1,7b)
Kraft und Liebe nutzen die Bühne unseres Lebens doch ziemlich oft. Die meisten Menschen sehnen sich nach Kraft genauso wie nach Liebe.
Die Besonnenheit dagegen hält sich in unserem Leben eher im Hintergrund. Sie ist ein schüchterner Geist. Um sie besser kennenzulernen habe ich in einem sprachwissenschaftlichen Buch nachgeschlagen. Auch da lese ich, dass es mit der Besonnenheit etwas kompliziert ist. Aber man geht wohl davon aus, dass sie in ihrem Grundwesen etwas mit ‚dem richtigen Maß‘ zu tun hat.
Klingt vernünftig und – Entschuldigung – langweilig. Ich meine.... wer sagt schon gerne nach einem Stück Schokolade: „Das war echt lecker. Aber nun ist Schluss. Bis nächste Woche!“
Das richtige Maß? In vielerlei Hinsicht ist das tatsächlich eine aktuelle Frage. Haben z.B. wir angesichts von Corona das richtige Maß? In den letzten Wochen habe ich vielerlei Kritik gehört: „Was ich den Kirchen wirklich übelnehme? Dass ihre Türen im Lockdown geschlossen waren.“ „Früher haben die Pastoren die Pestkranken besucht, aber jetzt wird nur noch angerufen.“ Vielleicht haben diese Stimmen recht? Schließlich:
„Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe!“ Aber - so könnte man erwidern: „Gott hat uns auch gegeben den Geist der Besonnenheit!“ Klingt entlastend: Bleibt mal locker. Bleibt besonnen! Haltet ‚das richtige Maß‘.
„Er hat uns [...] berufen [...], nicht nach unseren Werken, sondern [...] nach der Gnade, die uns gegeben ist in Christus Jesus.“ (2.Tim 1,9a)
Wenn ich auf mein Leben schaue stelle ich fest, dass es Zeit braucht, bis ich ‚das richtige Maß‘ gefunden habe undmein Leben (neu) ins Gleichgewicht kommt. Aber das ist doch gerade unser Gottvertrauen, dass wir solche Dinge in Gottes Hand legen können. Unsere Aufgabe scheint es lediglich zu sein, auch der Besonnenheit einen Platz in unserem Leben zu geben.
Amen.
Pastor Christian Plitzko