Tische sind Ankerpunkte des Lebens
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Andacht zum 2. Sonntag nach Trinitatis
Ich bin ja ein großer Fan von Tischen. Als ich aus der Studentenbude in meine erste „richtige“ Wohnug zog, war die erste Anschaffung ein großer, runder Esstisch. Von Ikea, massive Kiefer, mit einem Einlegebrett für größere Feiern. Der steht noch heute bei uns. Nach zwanzig Jahren ist der Klarlack an vielen Stellen schon ab und meine Kinder haben ihn mit Messer und Gabel, mit Zähnen und Stiften zu einem echten Unikat gemacht und so mancher Rotweinfleck ist auch ganz tief ins Holz eingezogen, nicht mehr rauszukriegen. An ihm wurde bis in die Nacht debattiert, gestritten, geküsst und gelacht und manchmal auch einfach nur lange geschwiegen.
Ich bin mir sicher, Jesus war ebenfalls ein großer Fan von Tischen. Immer wieder wird erzählt, wie er mit Freunden und Fremden am Tisch zusammenkam. Die waren damals niedriger als heute, denn man saß nicht auf Stühlen, sondern lag eher auf einer Art Sofa um ein niedriges Möbelstück herum, das wie ein Couchtisch aussah. Und natürlich wurde auch damals gegessen und getrunken, bis in die Nacht debattiert, gestritten und gelacht.
Ich hoffe, mein runder Kiefernholztisch wird noch lange in Gebrauch bleiben. Wenn es Tränen wegen einer vergeigten Mathearbeit oder dem ersten Liebeskummer gibt oder wenn die Diagnose des Arztes alle aus dem Gefühl der Sicherheit reißt, egal: Sich gemeinsam an den Tisch setzen, miteinander reden, miteinander essen und trinken, miteinander schweigen, schon das hilft, tut gut, tröstet.
Solche Tische braucht die Welt, es müsste viel mehr davon geben. Rund, stabil, gerne aus Kiefernholz, aber natürlich geht auch Mahagoni oder Resopal. Ankerpunkte, die uns zusammenbringen, uns offen machen und trösten.
Jesus wusste das. Und darum war auch eins der eindrücklichsten Hoffnungsbilder, die er seinen Jüngerinnen und Jüngern und eben auch uns gemalt hat, dieses Bild: Ein großer Tisch zu guter Letzt, wenn sich endlich alles geklärt hat. Ein himmlischer Tisch, mit den besten Speisen und den erlensensten Weinen. Zu dem sind wir eingeladen, jeder von woanders her, mit unserer Geschichte, unseren Geschichten von Tränen, Liebeskummer und Todesangst. Da kommen wir zusammen, setzen oder legen uns an den Tisch, können Dampf ablassen, reden und schweigen und – ja, auch das – genießen:
“Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken." (Matthäus 11,28). Der Wochenspruch tut mir gut. Darum bin ich ein so großer Fan von Tischen.
Pastor Matthias Bochow