Dem Frieden verpflichtet - gerade während Corona
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Friedensarbeit beruht eigentlich auf viel persönlichem Kontakt. Doch trotz vieler Ausgangsbeschränkungen und Einschränkungen des öffentlichen Lebens finden Friedensdienste Wege, ihre Arbeit fortzusetzen.
Ein junger Mann schaut ernst, aber nicht unfreundlich in die Kamera. Neben dem Foto steht: „Es gab Leute, die haben ihn in Handschellen gesehen, dass sie ihn in eine Fabrik gebracht haben. Es wurde gesagt, von dort bringen sie die Leute mit Bussen weg - irgendwohin.“ Seit diesem Geschehen im Juni 1999 wurde Bujar Qorraj nicht mehr gesehen. Niemand weiß, was mit ihm geschah oder will es sagen.
Eine Frau mit Brille schaut ebenso ernst in die Kamera. Zu ihrem Bild kann man lesen: „Sie schickten die Männer weg und wir blieben zurück mit den Kindern und Älteren. Dann ließen sie uns nach Albanien laufen, wir liefen 24 Stunden lang. Das Schlimmste ist, dass die Behörden nichts tun, um Licht ins Dunkel zu bringen.“
Solche Fotos und kurze Erzählungen skizzieren die grausamen Folgen, die der Kosovo-Krieg bis heute hat. Sie bilden die Ausstellung „Dealing with the forgotten“ (englisch, etwa: „Mit den Vergessenen umgehen“). Organisiert wurde sie von der „Youth Initiative for human rights Kosovo“, die sie in der Nationalbibliothek in Pristina zeigen wollte. Doch auch sie musste wegen der Corona-Pandemie schließen – die Gesichter und Geschichten sind darum umgezogen: in ein virtuelles 360-Grad-Museum im Internet.
1.644 Menschen werden seit dem Kosovo-Krieg noch immer vermisst, ihre Angehörigen wissen nicht, ob sie noch irgendwo leben oder wo sie gestorben sind. Auch nach über 20 Jahren ist der Kosovo-Krieg für viele noch nicht verwunden. „Vergangenheitsaufarbeitung ist ein großes Thema im Kosovo“, erklärt Christoph Bongard von Forum Ziviler Friedensdienst (ForumZFD), ein Zusammenschluss von Organisationen und Einzelpersonen, das mit den Ausstellungsmachern zusammenarbeitet. Die Ausstellung will zur Aufarbeitung und Friedensbildung beitragen.
„Friedensarbeit bedeutet eigentlich, Menschen zusammenzubringen, in Workshops, Seminaren, Podiumsdiskussionen – das versuchen die Organisationen auch jetzt. Nur eben aus dem Homeoffice heraus, an die Gegebenheiten angepasst“, sagt Christoph Bongard. Das Forum ZFD hat in 12 Ländern weltweit Regionalbüros. „Die Situationen in den Ländern sind jeweils unterschiedlich“, fasst er zusammen. „Eins gilt aber für alle: Die Krise wird vor allem die weniger Privilegierten treffen.“ Die Lebensbedingungen der armen Bevölkerung in vielen Staaten begünstigt die Ausbreitung des Virus‘ und viele Gesundheitssysteme sind ohnehin schon an ihren Grenzen. „Wir fürchten, dass es zu zunehmenden sozialen Spannungen und mehr häuslicher Gewalt kommt“, so Bongard. „Die ohnehin vorhandenen Konflikte können sich verschärfen, denn die Probleme sind ja nicht gelöst, nur weil nur noch über Corona berichtet wird.“
Andererseits gebe es auch kleine Lichtblicke: „Auf den Philippinen haben die Regierung und die Widerstandskämpfer einen Waffenstillstand vereinbart, immerhin.“ Und in Jordanien sei das Vertrauen in die Regierung gewachsen, weil die Menschen das Gefühl hätten, dass das Krisen-Management funktioniere.
Bongard und seine Kolleg*innen tauschen sich regelmäßig über solche Entwicklungen aus. Natürlich kommen manche Projekte ins Stocken. Aber: „Mich beeindruckt die Kreativität, mit der nun aus dem Homeoffice gearbeitet wird“, sagt er. Ob das das 360 Grad-Museum sei, ein Online-Mediationskurs für Lehrer*innen und Schüler*innen, ebenfalls aus dem Kosovo, oder eine Initiative lokaler Radiosender zur Aufklärung von „fake news“ in Kenia. „Wir arbeiten weiter. Und hoffen, dass die Spenden nicht wegbrechen.“ Denn Spendenveranstaltungen wie die jährlichen Friedensläufe von 15.000 Schüler*innen finden dieses Jahr wegen Corona nicht statt. Ob durch andere Aktionen, wie etwa Einzel-Läufe, ebenso viel zusammenkommt, ist fraglich.
Christine Warnecke