Ansteckend
Die Darstellung der Archivmeldungen wird kontinuierlich verbessert. Sollten Sie Fehler bemerken, kontaktieren Sie uns gerne über support@systeme-e.de
Andacht zum Sonntag Quasimodogeniti
„Schreib bloß nichts über Corona!“ riet mir eine Freundin. Also gut, dann schreibe ich über ein anderes Virus: allgegenwärtig, hochansteckend und wir alle gehören zur Risikogruppe. Es erscheint in unterschiedlichen Formen, doch immer engt es den Menschen ein. Wer sich infiziert wird wahlweise trübsinnig, misstrauisch, ängstlich oder zynisch und verliert an Lebenskraft. Gerade jetzt begegnet es mir fast täglich und ich spüre es auch in mir.
Das Virus fesselt seinen Wirt, schränkt seine Vorstellungskraft ein, trübt seinen Blick und lässt ihn besorgt und voll schwerer Gedanken zurück. Die Perspektive gerät aus den Fugen: das Schwere erscheint erdrückend groß, das Wunderbare erschreckend winzig. Diagnose: Hoffnungslosigkeit.
Gegen dieses hartnäckige Virus wünschte ich mir eine Impfung, die uns gegen seine täglichen Attacken immun macht. Bis wir den Impfstoff haben, müssen wir vorerst auf Aufbaupräparate zurückgreifen. Wir brauchen etwas, das unsere Widerstandskraft stärkt und das Abwehrsystem fit macht, damit es dort aktiv werden kann, wo unsere Menschlichkeit bedroht ist. Ich verschreibe uns zum Beispiel den heutigen Predigttext aus dem Trostbuch des Propheten Jesaja. Wo wir schmerzvoll erleben, dass so wenig in unserer Macht steht, wo es keine Garantie für Wohlergehen und keine Aussicht auf Rettung gibt, lädt der Prophet ein, den Blick zu heben. Wir mögen mit unserer Kraft am Ende sein, wir mögen stolpern und straucheln. Aber es gibt eine Quelle, die wir anzapfen dürfen, gerade dann, wenn uns die eigene Stärke und Selbstsicherheit abhandenkommt. Wir werden nicht auf dem Boden der erdrückenden Tatsachen verrotten, wir werden uns kraftvoll in die Lüfte erheben und uns tragen lassen von lebendiger Zuversicht.
Wie kann das gelingen? Vielleicht, indem wir nicht nur unsere Wohnungen, sondern auch unsere Gedanken und unsere Herzen entrümpeln. Welche selbstgerechten Vorwürfe, welche sarkastischen Kommentare, welche ängstlichen Sorgen brauchen wir noch und welche können weg? Wollen wir Platz schaffen für Gottes neue Kraft? Lassen wir zu, dass seine Stärke unseren matten Geist erfüllt und unsere leeren Hände in Werkzeuge seiner Liebe und Schöpferkraft verwandelt!
Bei Gott gilt keine Abstandsregel. Wo wir ihm einen Platz einräumen, wird Leben wachsen und eine mutige Hoffnung, die ansteckend ist.
Amen.
Diakonin & Prädikantin Dorothee Beckermann