Gepflegt werden: Jakob Kampermann erzählt von seinem Alltag
Die Darstellung der Archivmeldungen wird kontinuierlich verbessert. Sollten Sie Fehler bemerken, kontaktieren Sie uns gerne über support@systeme-e.de
"Ich bin ein Pflegefall. Rollstuhlfahrer und furchtbar unselbstständig. Ich habe Multiple Sklerose. Seit über 20 Jahren.
Ich setze mich nicht selber auf eine Toilette. Ich setze mich nicht selber auf den Rollstuhl. Ich lege mich nicht selber ins Bett. Ich ziehe mich nicht selber an und aus.
Sich von Bianca unter der Vorhaut waschen zu lassen, ist nicht wirklich schön. Alles andere auch nicht. Und gleichzeitig weiß ich ja, dass es wunderbar ist, dass es solche Menschen wie sie gibt. Das ist mir bewusst. Bei aller Hilflosigkeit.
Es ist ein Dilemma, dass jeder so wäscht, wie er sich selber waschen würde. Ich erfahre ganz viel über andere Menschen, wenn ich gepflegt werde... Andersherum: Ich bin so alt, dass ich noch den Wehrdienst an der Waffe verweigern konnte. Ich habe Zivildienst gemacht in Hamburg in einem Heim für Pflegebedürftige. Ich erinnere mich, dass ich Schwierigkeiten hatte, Katja morgens mit einem Waschlappen zu waschen. Ich selber machte das nicht. Ich stellte mich unter die Dusche. Bei ihr musste ich es aber anders machen, womit ich selber keine Erfahrung hatte.
Pflegebedürftig zu sein, bedeutet, ständig fremde Personen im eigenen Haushalt zu haben. Das Gleiche, was beim Waschen gilt, gilt auch sonst im Haushalt. Alle hinterlassen ihre Spuren. Selbständigkeit und Privatsphäre sind anders.
Und: Pflegen ist nicht sexy. Deshalb ist es besonders schwer, sich von denen pflegen zu lassen, von denen man eigentlich geliebt und bewundert werden will.
Deshalb bleibe ich dabei, dass unsere Achtung vor denen, die Pflege übernehmen, gar nicht groß genug sein kann."
Jakob Kampermann ist Pastor und lebt mit seiner Familie in Hannover.