Kann Kirche Demokratie?
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Buchautor Henze: Kirche muss sich stärker für Demokratie engagieren
Um das demokratische System zu erhalten, soll sich die evangelische Kirche nach Meinung des ARD-Hauptstadt-korrespondenten Arnd Henze stärker in politische Debatten einmischen. "Wir befinden uns in einem großen Stresstest der Demokratie", sagte der Journalist am Donnerstagabend bei einer Veranstaltung der Hanns-Lilje-Stiftung in Hannover. Henze stellte in einem Streitgespräch mit dem hannoverschen evangelischen Landesbischof Ralf Meister Thesen seines Buches "Kann Kirche Demokratie?" vor. Alle gesellschaftlichen Akteure - so auch die evangelische Kirche - stünden in der Pflicht und müssten nach anti-demokratischen "Bruchstellen und Haarrissen" im eigenen Gefüge suchen.
Dabei habe die Kirche in der jungen Bundesrepublik selbst zu den antidemokratischen Kräften gehört, erläuterte Henze. Das Grundgesetz habe sie lange gar nicht zur Kenntnis genommen. Die Pfarrer seien in ihrer großen Mehrheit deutsch-national gewesen und das Führungspersonal habe den demokratischen Staat verachtet. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Otto Dibelius, habe 1949 in offenen Briefen an die US-Amerikaner dafür geworben, Nazi-Beamte wieder einzusetzen - anstelle von seiner Meinung nach "charakterschwachen Gestalten" wie den Liberalen und Sozialdemokraten.
Landesbischof Ralf Meister hielt dagegen: Henze fokussiere zu sehr auf Leitungspersonen wie Dibelius oder den hannoverschen Landesbischof August Marahrens. Diese repräsentierten nicht die ganze Kirche und das, was in den Gemeinden gedacht worden sei. Zudem hätten in der damaligen Zeit fast alle gesellschaftlichen Akteure autoritäre Wertmuster vertreten, was aus heutiger Sicht schwer verständlich sei. Henze thematisiere auch zu wenig, dass sich Kirchenverantwortliche in den Nachkriegsjahrzehnten in unzähligen Schriften mit dem kirchlichen Fehlverhalten auseinandergesetzt hätten, kritisierte Meister.
Henze zufolge ist die Kirche auch heute in vielen Fällen nicht aktiv genug: "Die Fridays-for-Future-Bewegung ist komplett an der Kirche vorbeigegangen", kritisierte Henze, der als Synodaler in den Kirchenparlamenten der EKD und der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz aktiv ist. Pastoren sollten den direkten Kontakt zu protestierenden Schülern suchen. Kirchengemeinden sollten regelmäßig externe Kritiker einladen, um von diesen eine schonungslose Einschätzung kirchlicher Aktivitäten zu erhalten. Die Kirche habe diesen "Realitäts-Check" nötig.
Landesbischof Ralf Meister sagte, seine Stimme für den Klimaschutz sei in der Kirche bislang völlig wirkungslos geblieben. Auch EKD-Denkschriften, etwa zu reduziertem Fleischkonsum, "kommen unten nicht an".
Trotzdem sei es gut, wenn Klimaaktivisten die Kirche und die ältere Generation in die Verantwortung nähmen. Jugendliche Klimaaktivisten überreichten Meister anschließend einen Katalog mit Handlungsvorschlägen für EKD und Landeskirche.
epd