Startseite Archiv Tagesthema vom 07. März 2019

Haus Inspiratio - Gedanken gegen Stress

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Landeskirche bietet Mitarbeitenden Hilfe bei Burnout an

Ein riesiger Klostergarten, Ruhe, Raum für Kunst oder sogar Bogenschießen – das Haus inspiratio in Barsinghausen bei Hannover. Hier finden Mitarbeiter der hannoverschen Landeskirche, die unter chronischem Stress und Erschöpfung leiden, eine Regenerationsmöglichkeit: eine geleitete Auszeit von sechs Wochen.

„Die meisten Kursteilnehmer kommen mit depressiven Verstimmungen zu uns“, sagt Pastor Guido Depenbrock, der Leiter des Hauses. Die vielfältigen Aufgaben und Erwartungen im beruflichen und privaten Bereich und der zunehmende Leistungsdruck in der Gesellschaft könnten zu einer Überlastung führen. „Viele haben ein gutes Gespür für das, was sie brauchen, aber oft das Gefühl, nicht die Zeit dafür zu haben. Sie wollen niemanden enttäuschen und hängen fest zwischen äußeren Zwängen und inneren Konflikten“, erläutert die stellvertretende Leiterin, Diplom-Psychologin Meike Kohzer. Dann gelte es den eigenen Anspruch zu überdenken und sich neu zu fokussieren, um das eigene Gleichgewicht wiederzufinden und wieder Handlungswirksamkeit zu erlangen. Kohzer: ,„Es ist gut genug“, versuchen wir den Teilnehmern zu vermitteln.“

Kloster Barsinghausen. Foto: Paul

Inspiratio wurde vor drei Jahren von der hannoverschen Landeskirche in Zusammenarbeit mit den Evangelischen Kirchen Westfalen und Hessen Nassau ins Leben gerufen. In Süddeutschland gab es zu diesem Zeitpunkt bereits eine entsprechende Einrichtung – das Haus Respiratio bei Würzburg. Inspiratio bietet Pastoren und Pastorinnen sowie kirchlichen Mitarbeitenden, die unter chronischem Stress und Erschöpfung leiden, eine Regenerationsmöglichkeit: eine geleitete Auszeit von sechs Wochen und einen Raum für Rückzug. Kursinhalte sind psychologische Gruppen- und Einzelgespräche, Entspannungs- und Bewegungstraining sowie ein reichhaltiges kreatives Angebot. Das Kloster teilt sich inspiratio mit drei Konventualinnen.

Modern und schlicht sind die Zweiraumwohnungen für die Kursteilnehmer. „In den Kursen wird viel Input gegeben und nach dem Austausch in der Gruppe ist ein Rückzugsort wichtig,“ so Kohzer. Einige richten sich in den sechs Wochen gemütlich ein, andere lassen es bewusst schlicht und nehmen sich vor, diesen Purismus auch ein Stück weit mit in die Zeit danach zu nehmen. Das Konzept der Arbeit im Haus inspiratio beruht auf dem Austausch in der Gruppe, daraus entwickele sich Kraft für die Teilnehmer. Wichtig sei auch, dass die Mahlzeiten gemeinsam eingenommen werden. 

Zur Klosteranlage gehört ein großer Garten, in dem die Kursteilnehmer Ruhe finden, aber auch einen gemeinsamen Grillabend verbringen können. Anpacken bei der Arbeit im Klostergarten ist erwünscht. Die vielen Obstbäume lassen erahnen, dass die drei Konventualinnen Unterstützung gut gebrauchen können.

„Etwa zwei Drittel unserer Teilnehmer sind Pastorinnen und Pastoren. Es kommen aber auch Diakone, Erzieher, Kirchenmusiker und Verwaltungsmitarbeiter zu uns“, erläutert Depenbrock. Für Pastorinnen und Pastoren der drei kooperierenden Landeskirchen ist die Finanzierung für eine Teilnahme sichergestellt. Die hannoversche Landeskirche übernimmt auch für alle anderen kirchlichen Mitarbeitenden die Kosten. Darüber hinaus kann jeder das Angebot in Anspruch nehmen, wenn zuvor die Fragen der Finanzierung und Dienstbefreiung geklärt sind. 

Vor Aufnahme in einen Kurs müssen ein Fragebogen ausgefüllt und eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt werden. Zusätzlich findet ein ausführliches Vorgespräch mit Depenbrock und Kohzer statt. Im Bedarfsfall wird ein Arzt hinzugezogen, wenn unklar ist, ob eine Person in einen Kurs aufgenommen werden kann. „Zwischen Stress und klinisch behandlungsbedürftigen Symptomen liegt manchmal ein schmaler Grat“, so  Depenbrock. Der Aufenthalt in inspiratio soll präventiv vor der Entstehung von Krankheiten ansetzen, einen Klinikaufenthalt ersetze er nicht. 

Leiter Guido Depenbrock. Foto: Paul
Leiter Guido Depenbrock. Foto: Cordula Paul

Zwischen den einzelnen Kursangeboten gebe es bewusst viel Freizeit, in der die Teilnehmer zum Beispiel Wandern, Schwimmen oder ins Theater gehen können. „Manchen fällt es am Anfang schwer, diese freie Zeit zu füllen“, so Kohzer. Eine Stütze können die drei klösterlichen Gebetszeiten am Tag sein, die aber keine Pflicht für die Kursteilnehmer sind. 

Im Angebot ist auch eine Kunsttherapie. Wundervolle Kunstwerke entstehen hier von Menschen, die von sich selbst glauben, sie seien absolut nicht künstlerisch begabt. Es wird viel mit Farbe gearbeitet und gemalt, aber auch die gestalterische Arbeit ist sehr wichtig: Gerade „Kopfmenschen“, die Gestaltung für sich entdecken, drücken so Gefühle aus. Bei den sportlichen Angeboten stehen Bewegungstraining und Entspannungsübungen im Fokus: Yoga, Tai Chi, Qi Gong und Atemübungen verbessern die Körperwahrnehmung.

Ein besonderes Angebot ist das Bogenschießen. Diese Sportart kenne fast kein Teilnehmer, sagt Depenbrock. „Es ist gut, wenn die Kursteilnehmer eine neue Erfahrung machen können; eine Situation annehmen, die sie noch nicht kennen. Und es macht auch noch Spaß.“ Das Besondere am Bogenschießen sei die gleichzeitige Anspannung und Entspannung beim Loslassen des Pfeils. Die Entscheidung, welche der drei Zielscheiben anvisiert wird, sei symbolhaft für das Leben. Wie gehe ich mit Aufgaben um, für welche entscheide ich mich? Außerdem brauche man einen festen Stand, um ins Ziel zu treffen – genau wie im Leben.

Kunst statt Kopfarbeit. Foto: Paul

Und wie kann man die Erlebnisse und Erfahrungen in den Alltag übertragen? „Es muss klar sein: Das hier ist erst der Anfang. Die Veränderung geht weiter“, sagt Kohzer. Während des Kurseswird ein symbolischer Werkzeugkoffer mit Übungen erarbeitet, die im Alltag eingebaut werden können. Manche nehmen sportliche oder künstlerische Anregungen mit in ihren Alltag; betreiben weiter Bogenschießen oder malen. „Die selbst gestalteten Bilder an prominenter Stelle aufzuhängen, kann auch helfen“, meint Kohzer. Außerdem sei es sinnvoll, sich im Alltag Unterstützung zu holen, auch in Form von Supervision und über die beruflichen Rahmenbedingungen mit dem Chef zu sprechen. 

Immer hilfreich sei es auch, wenn die Kursteilnehmer auch nach Abschluss des Kurses weiterhin in Kontakt bleiben und sich austauschen. Nach einem knappen Jahr gibt es ein dreitägiges Nachtreffen. Hiervon machen die meisten Kursteilnehmer Gebrauch und nutzen die Gelegenheit, noch einmal Impulse aufzufrischen und zu berichten, was man an Anregungen in den Alltag integrieren konnte. Depenbrock und Kohzer betonen:„Man ist nicht allein. Das hilft.“

Sara Kittel und Carina Vogel
Stellvertretende Leiterin: Meike Kohzer. Foto: Paul

Gut zu wissen

Viele der Gäste im Haus inspiratio sind Pastoren. Die hannoversche Landeskirche übernimmt aber auch für andere kirchlich Mitarbeitende die Kosten. Darüber hinaus kann jeder das Angebot in Anspruch nehmen, wenn zuvor die Fragen der Finanzierung und Dienstbefreiung geklärt sind. 

Vor Aufnahme in einen Kurs müssen ein Fragebogen ausgefüllt und eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt werden. Zusätzlich findet ein ausführliches Vorgespräch statt. Im Bedarfsfall wird ein Arzt hinzugezogen, wenn unklar ist, ob eine Person in einen Kurs aufgenommen werden kann.