Eine Anlaufstelle für Trauernde
Die Darstellung der Archivmeldungen wird kontinuierlich verbessert. Sollten Sie Fehler bemerken, kontaktieren Sie uns gerne über support@systeme-e.de
Umwelt- und Flächenmanagement – Der Bad Rothenfelder Friedhof beschreitet neue Wege
Kosten senken, Nachfragen steigern und Biodiversität fördern – das alles klingt auf den ersten Blick wohl eher nach einem Wirtschaftsunternehmen als nach einem Friedhof. Es handelt sich aber um die Ziele des Umweltmanagementsystems für kirchliche Friedhöfe, die das Haus Kirchlicher Dienste herausgegeben hat. Im Sprengel Osnabrück beteiligt sich neben Bramsche-Engter auch der Friedhof in Bad Rothenfelde an dem Projekt. Landessuperintendentin Birgit Klostermeier hat ihn sich im Rahmen der „Sprengelfrüchte“ einmal angeschaut.
Ein heißer Sommertag am Ortsausgang von Bad Rothenfelde im südlichen Osnabrücker Land: am Südrand des Teutoburger Waldes liegt der Friedhof der evangelisch-lutherischen Jesus-Christus-Kirchengemeinde. Von der 1953 erbauten Kapelle am oberen Ende der Fläche bietet sich ein weiter Blick in Richtung Süden. „Etwa 80 Beerdigungen haben wir hier pro Jahr“, berichtet Susanne Pohlmann, die in der Kirchengemeinde auch für die Verwaltung des Friedhofes zuständig ist.
"Mindestens zwei Drittel davon sind inzwischen Urnenbestattungen“, sagt sie. Eine Urne braucht deutlich weniger Platz als ein Sarg bei einer Erdbestattung. Dementsprechend bleiben immer mehr Flächen frei. Und das stellt nicht nur die Gemeinde in Bad Rothenfelde vor neue Herausforderungen.
Der Bad Rothenfelder Friedhof wurde 1905 eingeweiht. Bürger und Geschäftsleute wurden hier beigesetzt – darunter auch die Schwester und der Schwager von Erich Maria Remarque, dem weltbekannten Osnabrücker Schriftsteller. Unter meterhohen alten Bäumen gibt es schattige Plätze und insgesamt fast 4.200 Gräber, und immer wieder: freie Flächen, auf denen Gräber aufgelöst wurden und die mit Rasen bewachsen sind. „Unser Friedhof hat wunderschöne alte Baumbestände und eine gewachsene Struktur, aber eben auch viele `Zahnlücken ́“, sagt Susanne Pohlmann im Gespräch mit Landessuperintendentin Birgit Klostermeier und lächelt. „Die freien Flächen störten uns; wir wollten sie schöner bepflanzen. Schließlich ist unser Friedhof für viele trauernde Angehörige eine wichtige Anlaufstelle, manchmal auch ein Treffpunkt. Sie sollen sich hier wohl und getröstet fühlen.“
Im Winter 2014 hat sich die Friedhofsverwalterin gemeinsam unter anderem mit Helga Flottmann-Sogemeier aufgemacht zu einem Seminar des Hauses Kirchlicher Dienste in Celle. Dort bekamen die Vertreter der Gemeinden Informationen über Flächenmanagement und Biodiversität. Die Nachhaltigkeit der Friedhöfe war den Veranstaltern dabei genauso wichtig wie das ökonomische Nutzen. „Indem wir die Umweltaspekte mit dem Flächenmanagement verbunden haben, konnten wir den Friedhofsverwaltungen das anbieten, was sie gerade brauchten“, sagt Reinhard Benhöfer, der zuständige Referent beim Haus Kirchlicher Dienste in Hannover. Zurück in Bad Rothenfelde bekommt die Kirchengemeinde Unterstützung von einer Landschaftsarchitektin. „Das reicht von der Verteilung der Flächen bis hin zu ganz praktischen Tipps wie der Auswahl der Pflanzen“, berichtet Heike Sogalla-Godewerth vom Kirchenvorstand. Die gezielte Vergabe von neuen, eher kleineren Grabstätten, das Bepflanzen mit neuen Bäumen und das Einrichten von Baumgräbern, wie es sie im Friedwald gibt – das ist bei der Neukonzipierung genauso wichtig wie die Verteilung von Grasflächen und Stauden wie Frauenmantel und Storchschnabel. Ein eigener Friedhofsentwicklungsplan zeigt mit Hilfe einer Ampel, wann welche Gräber wieder frei werden. Die Kosten für die Unterstützung der Landschaftsgärtnerin trägt zu zwei Dritteln die Landeskirche, für den Rest kommt die Kirchengemeinde auf.
Bei ihrem Rundgang über den Friedhof kommen die Mitglieder des Kirchenvorstandes, Friedhofsverwalterin Pohlmann und die Osnabrücker Regionalbischöfin Klostermeier ins Gespräch darüber, wie Friedhöfe als kirchlich erkennbar sein können. Die Bewahrung der Schöpfung sei wichtig, genauso wie die Möglichkeit
Raum und Gelegenheit zu schaffen, zur Ruhe zu kommen, über das Leben nachzudenken und auch Hoffnung zu schöpfen, sind sie sich einig. An einer Rasenfläche, die von Grenzsteinen durchzogen ist, bleibt die Gruppe stehen. „Hier zum Beispiel wäre ein großer Baum gut, eine Wildkirsche zum Beispiel wäre toll, weil sie Früchte trägt. Dabei kann man beim Pflanzen schon Röhren in die Erde einlassen, mit deren Hilfe die Urnen später in den Boden gelassen werden können, ohne dass dabei Baumwurzeln beschädigt werden. Auf solche Ideen muss man erstmal kommen“, sagt Andreas Thom vom Kirchenvorstand und lacht. Der 49- jährige Altenpflege-Azubi wurde vor kurzem zum ersten Mal in den Kirchenvorstand berufen. Ihn beeindruckt, mit wie viel Einsatz die Bad Rothenfelder in den Vierziger und Fünfziger Jahren die Friedhofskapelle gebaut haben – Stein auf Stein. Sie ist ein besonderer Ort auf dem 28.600 Quadratmeter großen Gelände. Hier finden in der Osternacht regelmäßig Andachten statt; im vergangenen November gab es eine Friedensandacht, bei der Briefe von gefallenen Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg gelesen wurden. Vieles mehr soll hier in Zukunft möglich sein: weitere Lesungen, vielleicht auch Konzerte.
Ein außergewöhnlicher Ort ist aber sicher auch die neu gestaltete Gemeinschaftsgrabstelle für Urnen. Ein Steinmetz hat etwa zwei Dutzend Grabmahle geschaffen, die er vorfinanziert – der Gemeinde entstehen dadurch keine Kosten. Mit ihrer teils rötlichen, teils schwarzen Farbgebung und der Maserung sehen die polierten Marmorsteine sehr edel aus. Sie stehen in zwei versetzten, sich kreuzenden Reihen auf einer rechteckigen Fläche. Dazwischen gibt es eine einheitliche Bepflanzung aus bunten Blümchen und dunkelgrünen Bodendeckern. Mehr als die Hälfte der Gräber ist bereits vergeben. „Viele Menschen haben selbst lange Gräber gepflegt; das möchten sie dann oft ihren Angehörigen nicht zumuten. Und für die zum Beispiel ist dieses Angebot“, sagt Helga Flottmann-Sogemeier, die in den vergangenen Jahren bei der Neugestaltung des Friedhofes kräftig mitgeholfen hat.
Manchmal sind auf der Gemeinschaftsgrabstelle nebeneinander zwei gleiche Nachnamen zu lesen – auch Ehepaare lassen sich hier bestatten. Die gleiche Fläche soll bald wenige Meter weiter noch einmal entstehen, um der steigenden Nachfrage nach Urnengräbern gerecht zu werden.
Die bereits bestehenden Urnengräber auf dem Friedhof sollen in Zukunft besser in das Konzept des Friedhofes integriert werden. Sie liegen am südlichen Rand des Geländes. Hier wird eine Blumenwiese entstehen, die Bienen und anderen nützlichen Insekten anlocken soll.
„Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“ (Offenbarung 21,6 (L)) – das ist die aktuelle Jahreslosung der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für das Bibellesen. Sie findet sich überraschender Weise auch auf einem Friedhof wieder, nämlich in dem Bemühen, Natur und Mensch, Leben und Sterben in ein gutes Gleichgewicht zu bringen, meint die Regionalbischöfin. „In dieser Sorgfalt, wie hier ökologisch, ökonomisch und seelsorgerlich verantwortungsvoll gedacht wird, drückt sich der Respekt vor der Schöpfung und dem Geschenk des Lebens aus“.
Was der Verwaltung allerdings Sorgen macht: die vielen Gräber, die keine Bepflanzung haben und nur mit Steinen bedeckt sind. Laut Friedhofsordnung sollen das höchstens ein Drittel sein. Im Vergleich zu anderen Friedhöfen hält sich ihre Zahl in Grenzen. Doch Susanne Pohlmann plädiert dafür, die Gräber komplett ohne Steine einzurichten. Der Grund: wenn keine ausreichende Belüftung gegeben ist, komme die Verwesung nur schwer in Gang. Dabei könne der Friedhof mit einer entsprechenden Bepflanzung viel dazu beitragen, dass das Insektensterben nicht weiter um sich greift.
Auch Wilhelm Rodefeld ist an diesem Mittag auf dem Bad Rothenfelder Friedhof unterwegs. Gemeinsam mit dem Patensohn seiner Lebensgefährtin besucht er das Grab seiner Frau und das seines Cousins. „Ich finde den Friedhof hier wunderschön“, sagt der 85-Jährige. „Gut, das ist auch etwas von der Pflege abhängig, aber insgesamt gefallen mir die Veränderungen hier. Und ich überlege, ob für mich eines Tages auch eine Urnenbestattung in Frage kommt“, sagt der Rentner. „Ein Friedhof ist ein Ort, der Jahrzehntelang Anlaufstelle für Familien bleibt. Wie weit Sie hier denken, um den Ort entsprechend zu gestalten, dass beeindruckt mich sehr“, sagt Landessuperintendentin Birgit Klostermeier zum Abschluss ihres Besuchs. Deshalb trägt der Friedhof der Gemeinde auch den „Grünen Hahn“ – das Symbol für das Umweltmanagementsystem, mit dessen Hilfe die Beschlüsse der Landessynode der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers aus dem Jahr 2007 zum Klimawandel und zur notwendigen CO2-Reduktion eingehalten werden sollen.
So soll der Friedhof in Bad Rothenfelde zu einem Ort für alle werden; ein Ort, den man gern besucht, an dem man das Grab seiner Angehörigen besucht oder einfach mal einen kleinen Spaziergang macht.
Katharina Lohmeyer