Startseite Archiv Tagesthema vom 11. September 2018

Die Kirche an der Orgel rocken

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Nachwuchstalente für Gemeindedienst dringend gesucht - Cuxhavenerin mehrfach prämiert

Mal füllen kraftvoll-brausende Töne das Schiff der evangelischen Kirche in Cappel bei Cuxhaven. Mal fließen die Klänge zart über Bänke, Altar und Taufbecken. Mit ihren Hörproben entlockt Laura Schlappa der historischen Arp-Schnitger-Orgel auf der Empore der Kirche die ganze Vielfalt barocker Musikfarben. Die 18-Jährige gehört zu den Nachwuchstalenten der Orgelszene in Deutschland und wurde gerade im Frühjahr als Solistin auf ihrem Lieblingsinstrument im Bundeswettbewerb "Jugend musiziert" mit einem ersten Preis ausgezeichnet. Musizierende wie sie sind gesucht, denn Organistenstellen sind schwer zu besetzen.

Bevor die junge Frau ihr Spiel beginnt, schlüpft sie in Schuhe mit weichem Leder. "Dann habe ich bessere Fühlung zu den Fußpedalen der Orgel", erläutert die Cuxhavenerin, die schon mit vier Jahren am Klavier saß. Schon drei Jahre später machte sie erste Erfahrungen an der Orgel, für sie bis heute "Königin der Instrumente". "Musik ist ein Teil meines Lebens, meine Leidenschaft, das macht mir Spaß", schwärmt sie über das, was sie ab Oktober in den Fächern Kirchenmusik und Klavier an der Detmolder Hochschule für Musik auch studieren will. Schlappa, sagen Experten, ist ein "Tastenmensch".

Bild: epd-Bild

Schon seit Jahren nimmt sie in der Region, in Hannover und in Detmold Unterricht. Bisher war sie wöchentlich mehrfach unterwegs, um ihr Spiel zu verbessern. "Die Übung macht's", sagt sie mit einem Lächeln und freut sich, dass ihre Schule auf die Terminflut unterstützend reagiert hat.

"Das ist längst nicht immer so", berichtet ihr Detmolder Orgellehrer Martin Sander, der auch ihr zukünftiger Professor an der Hochschule für Musik ist. "Ihre Schule war sehr liberal und hat ihr frei gegeben - andernorts kriegen viele junge Leute Ärger", hat Sander erfahren. Bei Schlappa habe sich die Förderung ausgezahlt. "Zumal sie im Üben mit ihrer Konzentrationsfähigkeit und ihrer Hartnäckigkeit eine ziemliche Ausnahme ist."

Das hat sich nun erneut als Vorteil erwiesen. Die junge Frau hat im August in Nordirland bei einem internationalen Orgelwettbewerb in ihrer Altersklasse den ersten Platz belegt - auch, weil sie für "ihr" Instrument brennt: "An der Orgel die Kirche zu rocken, das ist für mich zum Niederknien."

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Eine Ausnahme in positiver Weise war auf ihrem bisherigen Weg überdies ihr persönliches Umfeld, wie Annegret Schönbeck von der Orgelakademie in Stade berichtet. Denn wer neben der Schule in die Kirche gehe, um Orgel zu spielen, müsse nicht selten über ein ausreichendes Maß an Frustrationstoleranz verfügen. "Viele werden von ihren Mitschülern gemobbt."

Schönbeck koordiniert an der Akademie besondere Aktionen, mit denen Kinder und Jugendliche für Orgel und Kirchenmusik begeistert werden sollen. Bundesweit gibt es immer mehr Initiativen dieser Art, von denen die deutsche Direktorenkonferenz Kirchenmusik beispielhafte Ideen auf ihrer Internetseite www.wegezurkirchenmusik.de dokumentiert. 

Darunter sind Wettbewerbe, Orgel-Clubs, Schulaktionen und eben auch jährliche Jugend-Orgelforen mit renommierten Dozenten und besonderen Führungen an historischen Instrumenten für Kinder und Jugendliche in Stade. Kinder, Jugendliche und ihre Elternhäuser müssten in ausreichender Zahl und früh genug interessiert werden und auf den Geschmack kommen, betont der Präsident der Direktorenkonferenz Kirchenmusik, der badische Landeskirchenmusikdirektor Kord Michaelis. "Damit auch bei gestrafften Schullaufbahnen die Zeit zum Üben reicht."

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Ob dann Studien-Absolventen trotz glänzender Jobperspektiven unter anderem aufgrund vieler anstehender Pensionierungen tatsächlich in die Kirchenmusik gehen, ist aber gar nicht klar. "Sie können auch Schul- oder Kammermusik wählen oder Kapellmeister werden", verdeutlicht Hochschulprofessor Sander. Immerhin: Nach einer Talsohle vor ein paar Jahren registriert die Direktorenkonferenz im Bundesdurchschnitt wieder leicht steigende Studierendenzahlen.

Auch Laura Schlappa weiß noch nicht, ob sie nach Ende ihrer Studienzeit in Detmold in die Kirchenmusik geht. Doch eines weiß sie sicher: Sich an der Orgel über die Musik mit dem Publikum und den Gottesdienstgästen zu verbinden - "das ist einfach ein gutes Gefühl".

Dieter Sell (epd)
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Orgelentdeckertage

Rund 3.000 Mädchen und Jungen aus Grundschulen und Kindergärten werden zu den dritten "Orgelentdeckertagen" der hannoverschen Landeskirche erwartet. Vom 17. bis 27. September werden mehr als 100 Orgelführungen, Workshops mit Orgelbauern, Konzerte und Kindergottesdienste in rund 50 Kirchengemeinden angeboten, sagte Silke Lindenschmidt vom Musikvermittlungs-Projekt "Vision Kirchenmusik" der evangelischen Landeskirche. Die "Orgelentdeckertage" werden von "Vision Kirchenmusik" und der Orgelakademie Stade angeboten. In den vergangenen beiden Jahren waren insgesamt mehr als 4.000 Kinder zu Besuch.

Orgeln hätten mit ihren meist mehr als tausend Pfeifen ganz verschiedene Klangfarben, sagte Lindenschmidt. "Gerade in der Klangvielfalt liegt der Reiz für die Kinder." Die Aktionen, die von Northeim bis Bremerhaven und von Aurich bis Wrestedt bei Uelzen veranstaltet werden, sollten Aufmerksamkeit für die Orgel wecken und Nachwuchs für die Kirchenmusik gewinnen. 

2017 wurden der deutsche Orgelbau und die Orgelmusik zum Weltkulturerbe ernannt. Die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers verfügt nach eigenen Angaben über eine Orgellandschaft von international herausragender Bedeutung. So finden sich beispielsweise im Norden und Nordwesten der Landeskirche Instrumente des weltweit bekannten Orgelbaumeisters Arp Schnitger (1648-1719). Vom Harz bis ans Meer gibt es insgesamt rund 1.660 Orgeln. Etwa die Hälfte ist älter als 100 Jahre und gilt damit als "Denkmalorgel".