Eine Arbeit, die erfüllt
Die Darstellung der Archivmeldungen wird kontinuierlich verbessert. Sollten Sie Fehler bemerken, kontaktieren Sie uns gerne über support@systeme-e.de
Klostergärtner Heinz Pohl liebt die Kombination aus Natur und Spiritualität an seinem Arbeitsplatz
Heinz Pohl schließt die Augen und lauscht. Auf der Koppel nebenan galoppiert ein Pferd vorbei, ganz leise plätschert ein Bach und ab und zu schlägt die Kirchturmuhr. Der Gärtner des Klosters Mariensee sitzt an seinem liebsten Pausenort: dem „Paradiesgärtlein“ – einer Anordnung von drei Steinbänken und einem Tisch, die oft Ende oder Anfang mittelalterlicher Klostergärten markierte. „Ich liebe die Ruhe des Klosterlebens“, sagt er. „Und ich liebe es, im Freien zu arbeiten.“ Heinz Pohl hat den perfekten Arbeitsplatz für sich gefunden.
Seit 2005 ist der 58-Jährige hier im evangelischen Frauenkloster bei Neustadt am Rübenberge unweit von Hannover tätig. Pohl ist eigentlich kein Gärtner, sondern gelernter Bäcker. In diesem Beruf ist er aber schon seit 30 Jahren nicht mehr aktiv. Gemeinsam mit Hausmeister Gerd Gräfenhahn erledigt Pohl hier die körperlich schweren Arbeiten im und um das Kloster. Eine ausgebildete Gärtnerin kümmert sich derweil um die Pflege des Zier- und Kräutergartens.
Jetzt im Sommer gibt es für Pohl und seine Kollegen draußen die meiste Arbeit. Allein mit dem Rasenmähen auf dem rund 10.000 Quadratmeter großen Gelände ist eine Person schon drei Tage beschäftigt, erzählt er. Die großen Flächen mähen Pohl und Gräfenhahn mit Rasentraktoren, die kleineren mit elektrischen Handmähern. Auch das Unkrautjäten auf dem Parkplatz und Gehwegen frisst viel Arbeitszeit im Sommer. Dazu kommen das Heckenschneiden und die Pflege der Wege. Immer wieder müssen die Rasenkanten kräftig gestutzt werden, damit die Sandwege ihre eigentliche Breite behalten.
Auch im anstehenden Herbst gibt es für das Team einiges zu tun. Dann muss zum Beispiel der Hagener Bach, der durch die denkmalgeschützten Klostergärten fließt, vom starken Bewuchs an seinem Ufer befreit werden. Mit einer Harke wird Pohl dann die unzähligen Pflanzen, die den schmalen Wasserlauf inzwischen fast komplett bedeckt haben, herausziehen. „Das ist eine Woche richtig schwere Arbeit“, erläutert er. „Das machen wir einmal im Frühling und einmal im Herbst.“ In der Zeit dazwischen gehen die Arbeiter nicht an die Uferpflanzen, so dass Fische, Bienen und andere Tiere ungestört leben können.
Ebenfalls im Herbst steht die Apfelernte an. Mit einem langen Stab, an dessen scharfzackigem Ende sich ein Stoffbeutel befindet, pflückt Pohl dann die Bäume nacheinander ab. Die Äpfel werden zum Mosten gebracht oder von den acht Konventualinnen des Klosters verarbeitet. „Die Apfelernte fällt dieses Jahr aber eher flau aus“, sagt der Gärtner. Einige der Bäume im Apfelgarten waren krank und kaputt. In Abstimmung mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) wurden sie gefällt. Doch neue Apfelbäume werden bald gepflanzt.
Die Naturschützer vom BUND sind so begeistert vom Apfelgarten im Kloster, dass sie diesen als einen von vier „Leuchtturmgärten“ für ihr Projekt „Schatztruhe kulturhistorische Obstgärten“ auswählten. Auch die Klöster Amelungsborn und Wülfinghausen gehören dazu. Gerade Klostergärten bieten viele Schätze, heißt es bei den Naturschützern. Auf den Streuobstwiesen wachsen seltene, alte Obstsorten. Zudem sind die historischen Anlagen oft Rückzugsorte für geschützte Tierarten wie Fledermaus, Steinkauz oder seltene Schmetterlinge.
Die Natur macht sich aber nicht nur um das Kloster bemerkbar, sondern auch innen. Der Glockenturm der frühgotischen Klosterkirche ist von Vögeln bewohnt- und die machen auch Dreck. Im Winter reinigten Pohl und sein Kollege den Turm von Vogelkot. Das ist eine anstrengende Arbeit, die nur mit Schutzanzug, Handschuhen und Atemmaske erledigt werden kann.
Überhaupt gibt es innerhalb des Klosters immer wieder etwas zu tun. Für die Ausstellungen, Kurse und Konzerte die hier stattfinden, müssen Säle um- oder ausgeräumt werden. Auch hier ist Pohl im Einsatz. Gerade erst haben die Arbeiter die Räumlichkeiten für einen Kalligraphie-Kurs vorbereitet. Die Kunst des Schönschreibens ist eine Spezialität des Klosters, die hier oft gelehrt wird. Es verwundert nicht, dass Mariensee sich auf dem Klosterkammerfest deshalb mit einem Scriptorium präsentierte, in dem Menschen sich beim Abschreiben biblischer Verse mit historischen Schreibwerkzeugen wie Gänsekiel oder verschiedenen Federn erproben konnten.
Für Heinz Pohl besteht sein Aufenthalt in Mariensee aber nicht nur aus Arbeit. Er saugt auch die Spiritualität hier förmlich auf. „Ich bin dem Glauben stark verbunden“, sagt er und erzählt von seinen Auszeiten, die er bereits in bayerischen Klöstern nahm. Besonders die Geschichte der Benediktiner, gregorianische Musik und lateinische Gebete interessieren ihn. „Ich brauche das, um auf andere Gedanken zu kommen.“
Pohl stammt aus Poggenhagen, einem Dorf am Steinhuder Meer. Ins nahe Hannover fährt er nicht so gern. Er mag Großstädte nicht besonders. Die Menschenansammlungen und vielen Autos hält er nicht länger als zwei Stunden aus. „Es zieht mich immer wieder hier nach Mariensee. Ich liebe die Ruhe im Klosterleben, die Gelassenheit – das fasziniert mich.“
Heinz Pohl schaut sich um von seiner Lieblingsbank im Paradiesgärtlein. Das Pferd grast, der Bach plätschert und die Kirchenglocke läutet zur vollen Stunde. „Diese Arbeit erfüllt mich sehr“, betont er und ergänzt: „Das hier ist genau das, was ich immer gesucht habe.“
Stefan Korinth