Tatort: Kain und Abel
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Andacht zum 13. Sonntag nach Trinitatis
Stahlnetz, Der Kommissar, Tatort, Polizeiruf 110, Morden im Norden - Krimiserien sind die erfolgreichsten Sendungen im Fernsehen. Fast immer geht es um Mord und oft sind die Täterinnen und Täter ganz normale Menschen.
Und uns fasziniert dieser Blick in den Abgrund der menschlichen Seele. Die Ahnung, dass auch das Schrecklichste, ein Mord, einem ganz normalen Menschen passieren kann. Wie können wir sicher sein, dass wir uns im Griff haben? Wer ist nicht ab und zu aggressiv und zornig? Wie weit kann so was gehen?
In der biblischen Tatort-Folge „Kain und Abel“ bevorzugt Gott Abel. Und dann sehen wir den Moment, in dem sich der Abgrund öffnet, das Böse Raum bekommt und das Furchtbare möglich wird: „Da ergrimmte Kain sehr und senkte finster seinen Blick.“ Nur weil Gott den Abel bevorzugt hat? Ja, so erschreckend schlicht ist das, wie in den meisten Mordfällen. Er senkte finster seinen Blick – er wendet sich ab von Gott und seinem Bruder, er hört nicht mehr, sieht nicht mehr, ist verschlossen.
Gott gibt sich Mühe, ihn zu erreichen, er spricht ihn direkt an: „Da sprach der HERR zu Kain: Warum ergrimmst du? Und warum senkst du deinen Blick? Ist's nicht so: Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie.“
Die Sünde lauert vor der Tür. Wie ein Raubtier kann sie über uns herfallen. Und sie ist mächtig! Wenn wir das lesen, dann denken wir doch: Mensch, Kain, komm zu Dir! Ja, es ist nicht schön und unerklärbar, wie Gott mit dir umgeht. Das Leben ist nun mal ungerecht. Aber deshalb darfst du dich nicht von Gott und von deinem Bruder abwenden! Bleib dran, heb deinen Kopf!
Aber all das erreicht ihn nicht. Gott selbst spricht mit Kain, kann aber nichts ausrichten, er scheitert! Und so erstaunlich das ist, so trifft es doch genau unsere Erfahrung. Das Böse verschafft sich Raum. Der Blick in die Zeitung zeigt es jeden Tag.
Kurz und knapp heißt es in der Bibel weiter: „Und es begab sich, als sie auf dem Felde waren, erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot.“
Es steht also nicht gut um den Menschen am Anfang der Bibel. Gleich zu Beginn der Menschheitsgeschichte schauen wir in die Abgründe der menschlichen Existenz. Der Mensch ist ungehorsam, er entfernt sich von Gott, er hat nicht die Kontrolle über sich selbst und wird zum Mörder.
Doch Gott gibt nicht auf. Er wendet sich nicht ab, sondern versucht, trotz der fürchterlichen Tat, den Kontakt mit Kain zu halten: „Da sprach der HERR zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel?“
„Wo ist dein Bruder Abel?“ – das ist der wichtigste Satz in dieser grausamen Geschichte. Wo ist dein Bruder, fragt Gott. Ich will, dass wir Kontakt haben, ich will mit dir eine Beziehung eingehen, ich gebe dich nicht auf.
Gott ruft uns, Gott zieht uns zur Verantwortung. Wir stehen vor den Abgründen der menschlichen Seele und die Sünde lauert vor der Tür, aber Gott lässt uns damit nicht alleine. Er will nicht, dass wir den Blick senken, sondern dass wir den Kopf heben und ihn anschauen und dabei unsere Schwestern und Brüder sehen.
Also: Lasst uns genauer hinhören und hinschauen und den Kopf hoch halten! Amen.
Dr. Johannes Neukirch