Neu auf die Beine stellen
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Andacht zum 12. Sonntag nach Trinitatis
Die Elefantenmutter lässt keine Ruhe. Immer wieder stupst sie das Neugeborene mit ihrem Rüssel an. Immer wieder sackt das kleine Tier zusammen. Dann richtet es sich auf, rollt auf die Seite, stolpert ungelenk auf die Knie, überschlägt sich fast. Den Beinen fehlt scheinbar die Kraft, den kleinen, aber schweren Körper zu tragen. Dann nimmt die Elefantenkuh ihre Füße zur Hilfe. Tritte treffen den kleinen Körper, der Rüssel wird zum helfenden Strick, der kleine Rüssel greift in den Großen. Das Muttertier gibt dem Kleinen keine Ruhe - bis es steht.
Das Neugeborene muss auf die Beine kommen, das ist jetzt überlebenswichtig. Erst wenn es steht, gibt die Mutter Ruhe. Im Zoo in Hannover laufen diese Bilder auf einem Monitor. In mehreren Videosequenzen werden sie den Besuchenden im Elefantenhaus gezeigt. In der letzten Sequenz ist das Ziel dann erreicht. Da steht der kleine Elefant endlich - passabel sicher - auf eigenen Beinen. Einige Zuschauer, die vor dem Bildschirm stehen geblieben sind, applaudieren.
Ohne diese ersten, zweifellos harten, in den Augen der Zuschauerinnen und Zuschauer aber liebevollen, Tritte und ohne den als Strick angebotenen Rüssel des Muttertieres, wäre der Kleine nicht auf die Beine gekommen. Das Wort Gottes wirkt auch nach diesem Elefantenmutterprinzip. Es bringt Menschen, die am Boden liegen, auch Menschen, die nicht vorhaben wieder aufzustehen, auf die Beine. So auch in der Geschichte von dem gelähmten Mann, die in der Apostelgeschichte erzählt wird. In ihr entfalten Worte ihre Wirkung, die einem Menschen den aufrechten Gang zurückgeben. Und hier wird nicht nur von einer körperlichen Heilung gesprochen, sondern von einer grundsätzlichen Heilung, die den Menschen in einem umfassenden Sinne stärkt und aufrichtet.
In der Ferienzeit erfahren viele Menschen diese Art der Stärkung. Da kehrt eine ursprüngliche Kraft in das Leben zurück, die vielen von uns neu auf die Beine stellt. In den ruhigen Sommerwochen ist möglich, was im Alltag schon vergessen schien. Der Sommer und die freie Zeit ermöglichen eine Erlebnisdichte und Perspektivwechsel. Es ist der neue, oft überraschende Impuls, der im Sommer das Leben liebevoll mit leichten Tritten anstupst. Gottes Wort erreicht auf ungeahnten und überraschend neuen Wegen die Sinne und die Herzen.
Entscheidend ist, die Worte zu hören: „Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh umher!“ Und zur Tat werden zu lassen: „Er ergriff ihn bei der rechten Hand und richtete ihn auf.“ Das ist die Bewegung, die in der biblischen Botschaft steckt und die in das Leben hineinwirkt. Gottes Wort macht die Füße und die Knöchel fest, es lässt uns die nächsten Schritte gehen und verleiht dem Leben in einem umfassenden Sinn eine überraschende Standfestigkeit.
Wie ein neugeborenes Lebewesen stößt uns Gottes Wort immer wieder an, stupst uns hoch, mit sanfter Gewalt und liebevoller Zuwendung. Damit wir nicht am Boden bleiben, sondern auf die Beine kommen.
Amen.
Pastor Henning Kiene, EKD