"Alles ist mir erlaubt?"
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Andacht zum 8. Sonntag nach Trinitatis
Wenn ich einen Lasterkatalog vor mir habe, also eine Liste sittlicher Verfehlungen, dann halte ich es gerne mit Wilhelm Busch. Am Schluss der „Frommen Helene“ heißt es: „Das Gute – dieser Satz steht fest – Ist stets das Böse, was man läßt! / Ei ja! – Da bin ich wirklich froh! Denn, Gott sei Dank! Ich bin nicht so!!“
Und einen Lasterkatalog haben wir in unserem Text zweifellos vor uns. Paulus redet von Unzucht, Götzenanbetung, Diebstahl und so weiter. Ich behaupte mal, dass mich dieser Katalog nicht wirklich betrifft.
Nur das mit dem Lästern, das stimmt vielleicht manchmal, aber selbstverständlich nur in einer ganz milden Form …
Paulus wäre aber nicht Paulus, wenn es ihm darum ginge, die Welt durch Lasterkataloge moralisch aufzurüsten. In einem Atemzug sagt er, dass weder Trunkenbolde noch Knabenschänder das Reich Gottes erlangen werden, aber für alle die Gnade Gottes gilt: „ihr seid reingewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht geworden“.
Es ist also möglich, durch Gottes Handeln in Christus direkt von einem lasterhaften zu einem heiligen Leben zu wechseln. Paulus geht sogar noch einen Schritt weiter. Er ruft die ganz große Freiheit aus, den Traum aller modernen Menschen: „Alles ist mir erlaubt“!
Paulus wäre aber wiederum nicht Paulus, wenn er mit dem „Alles ist mir erlaubt“ eine allgemeine Beliebigkeit, das sprichwörtliche „anything goes“ verbinden würde. Seine Sätze haben ein „aber“: „Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten.
Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht haben über mich.“ Ich muss hier nicht aufzählen, was alles in unserem Leben Macht über uns bekommen kann und welche mühsamen Versuche wir unternehmen, um einigermaßen stabil zu bleiben oder zu werden.
In diesen zwei kurzen Sätzen bringt Paulus den Freiheitstraum und die Realität zusammen. Freiheit ja – aber es muss eine verantwortete Freiheit sein. Sonst kippt sie ins Gegenteil.
So muss ich leider feststellen, dass Wilhelm Busch - bei aller Sympathie - mit seinem „Gott sei Dank, ich bin nicht so“ deutlich zu kurz greift. Es geht nicht um Lasterkataloge. Paulus will viel mehr. Er fragt nach unseren Beziehungen, nach dem, was über uns Macht hat, nach unserer Identität.
Dabei stellt er uns in das Beziehungsgeflecht zwischen Christus, der den Tod besiegt und uns „teuer erkauft“ hat und der ganz normalen Welt des menschlichen Miteinanders. Und so lange das „Alles ist mir erlaubt“ an Christus und sein Geschenk der Vergebung gebunden bleibt, lässt es uns in wunderbarer christlicher Freiheit verantwortlich leben und handeln. „Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht haben über mich.“
Pastor Dr. Johannes Neukirch