Sommerlektüre (Teil 2)
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Die Redaktion des Themenraums hat sich Sorgen gemacht, ob Sie schon die richtige Lektüre für den Sommer 2018 gefunden haben ... Deshalb stellen wir Ihnen in zwei Folgen einige unserer Lieblingsbücher vor und wünschen Ihnen eine angenehme Lesezeit!
Ausgesucht und beschrieben von Meret Köhne
Das „Polackenkind“ wird Vera genannt, die 1945 als Flüchtlingskind mit ihrer Mutter aus Ostpreußen auf den Hof im Alten Land ankam. Dieses Gefühl, nicht willkommen zu sein in dem alten Bauernhaus mit knarzenden Balken und renovierungsbedürftigen Fenstern, wird Vera im Laufe ihres Lebens nicht los. Trotzdem kann sie nicht weg. Irgendetwas fesselt sie an diesen Ort.
Sechzig Jahre später steht plötzlich ihre Nichte Anne von der Tür. Sie ist mit ihrem kleinen Sohn aus Hamburg-Ottensen geflohen, wo „ehrgeizige Vollwert-Eltern ihre Kinder wie Preispokale durch die Straßen tragen“ – und wo Annes unverheirateter Schriftsteller-Freund nun eine Andere vögelt.
Kurzerhand lädt Anne ihren Sohn mitsamt Regenhose und Kaninchen-Käfig in den alten Mercedes und flieht ins Alte Land, in das kalte Reetdach-Haus, wo Tante Vera mit ihren Bluthunden wohnt, zu Pferd auf die Jagd geht und frische Rehwürste durch den Fleischwolf dreht. Die anderen Dorfbewohner kann sie nicht leiden. Sie ist sich selbst genug.
Vor irgendetwas fliehen alle Figuren in diesem Roman. Seien es die Nachbarn oder falschen Freunde; Sei es die Vergangenheit, die grausamen Bilder im Kopf von erfrorenen Babys am Wegesrand, von unzähligen baumelnden Selbstmördern in den polnischen Wäldern, die einen nicht schlafen lassen; Seien es die Szene-Viertel Hamburgs, eine Café-Latte-Welt mit Maxicosis und pädagogisch-wertvollen Kitaplätze.
Mit einem knallhart realistischen Blick und trockenem Humor erzählt Dörte Hansen die Geschichte von zwei Einzelgängerinnen, die im Alten Land das finden, was sie nie gesucht haben: eine Familie.
Dörte Hansen. Altes Land. Albrecht Knaus Verlag, 2015, ISBN 978-3813506471.
Ausgesucht und beschrieben von Angelique Bohn
Erdhörnchen Habbi kennt von der Außenwelt kaum etwas - außer den Futterwege und den gruseligen Geschichten über Wölfe und Kojoten. Bis zu dem Tag, an dem er einen Geröllhaufen hinunterstürzt - und auf einem Wolf landet. Doch statt ihn zum Mittagessen zu verspeisen, schaut der Wolf ihn nur schwach an. Habbi flieht, flüchtet sich zurück in den Schutz seines Baus und die Wärme seiner Geschwister. Aber dass der Wolf ihn nicht angegriffen hat, lässt ihn nicht los. Immer und immer wieder denkt er über das Bild nach. Bis ihm einfällt, dass der graue Fellklumpen einen Haufen Steine auf dem Bein hatte und gefangen war. Jemand muss ihm helfen. Und Habbi kommt der Gedanke, dass er derjenige sein muss, der den Wolf rettet.
Er wuchtet die Steine einzeln vom Bein des Wolfs und versorgt ihn nun täglich mit Futter. Aber der Wolf will eigentlich nur eins: sterben. Denn ein Wolf auf drei Beinen sei nichts wert. Aber Habbis unerbittlicher Mut und sein Kampfgeist beeindrucken Wolf Yaruk und sie werden Freunde - allen Vorurteilen zum Trotz. Bis Habbis Bruder das Geheimnis entdeckt und die Freundschaft auf eine harte Probe gestellt wird.
Ein Kinderbuch mit einer einfachen, aber detailverliebt ausgemalten Geschichte über Freundschaft, Vorurteile und verschiedene Lebenswelten. Themen wie Sterben oder Ausgrenzung werden nicht ausgeblendet, sondern ehrlich, aber kindgerecht thematisiert. Ein Buch nicht nur für Kinder - auch Erwachsene können von Kapitel zu Kapitel mitfiebern und erkennen sich selbst und ihre oft schon festgefahrene Haltung in manchen Charakteren wieder. Die humorvollen Zeichnungen von Barbara Scholz geben dem Buch einen besonderen Charme, denn sie allein sind schon kleine Geschichten für sich.
Ein Kinderbuch mal ganz ohne Elfen, Feen, Einhörner und Glitzerstaub! Lesens- und sehenswert!
Oliver Scherz. Ein Freund wie kein anderer. Thienemann Verlag, 2018, ISBN 3522184572
Ausgesucht und beschrieben von Pernilla Wendt
Eine Geschichte über eine Mutter, die gespürt hat, dass ihre Tochter nicht glücklich ist und eine Tochter, die ihr Leben neu gestaltet, um ihre Träume zu verwirklichen.
Im Mittelpunkt dieses Bestsellers von Lori Nelson Spielman steht Brett Bohlinger, eine 34-jährige Frau, die in Chicago lebt und ihr Leben voll im Griff hat. Zumindest denkt sie das. Denn als ihre Mutter Elizabeth an Krebs stirbt, stellt diese Bretts Leben gewaltig auf den Kopf. Sie hinterlässt ihr eine Liste mit Lebenszielen, die Brett mit vierzehn einmal notiert und dann vergessen hatte. Und nur wenn es Brett gelingt, die noch offenen Ziele auf der Liste innerhalb eines Jahres zu erreichen, wird sie ihr Erbe antreten dürfen.
Der Beginn einer humorvollen Berg- und Talfahrt der Gefühle, denn Brett muss ihr Leben komplett neu in die Hand nehmen: einen Hund anschaffen, ein Pferd und ein Haus kaufen, sich in den Richtigen verlieben, ein Kind bekommen, bedürftigen Menschen helfen, auf einer großen Bühne auftreten, eine gute Lehrerin werden und Frieden mit ihrem Vater schließen – was sich als sehr kompliziert erweist, denn Brett ist längst nicht mehr dieselbe wie damals.
Ein schöner emotionaler Roman, der zum Nachdenken anregt, aber auch viele Stellen zum Schmunzeln bereithält – meine Empfehlung für den Sommer.
Lori Nelson Spielman. Morgen kommt ein neuer Himmel. S. Fischer Verlag, 2014, ISBN 978-3-596-19635-7.