Vorbild und Reizfigur
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Die Theologin Margot Käßmann geht in den Ruhestand
Am Samstag wird Margot Käßmann offiziell mit einem Gottesdienst und einem anschließenden Fest rund um die Marktkirche in Hannover in den Ruhestand verabschiedet. Die Theologin, die zu den prominentesten, beliebtesten und zugleich polarisierendsten Personen der evangelischen Kirche gehört, ist am 3. Juni 60 Jahre alt geworden.
Käßmann hat angekündigt, sich zumindest für einige Zeit aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. "Jetzt sind andere dran", sagt sie. Öffentlichkeit heiße auch "ständige Auseinandersetzung, angreifbar zu sein und Kritik einzustecken". Im Ruhestand will sie Privatperson sein. Inzwischen ist Käßmann aus Berlin wieder nach Hannover gezogen.
Für Auseinandersetzungen hat die Theologin häufig gesorgt. Ihre Neujahrspredigt 2010 mit dem Satz "Nichts ist gut in Afghanistan" stieß nicht nur eine Diskussion um Deutschlands Beteiligung an einem Krieg an. Politiker echauffierten sich über die einfache, aber wirkungsvolle Aussage. "Ich bin in Rechtfertigungsdruck geraten, der mich atemlos gemacht hat", sagt sie rückblickend.
Auch die aus ihrer pazifistischen Grundhaltung heraus entstandene Empfehlung, für Taliban zu beten statt Kriege zu führen, erntete Kritik, Häme und Spott.
Beim Kirchentag im vergangenen Jahr sah sie sich mit einem rechten Shitstorm im Netz konfrontiert, nachdem ein Zitat von ihr zur Familienpolitik der AfD aus dem Zusammenhang gerissen und hundertfach bei Twitter geteilt wurde. Käßmann polarisiert: Während sie bis heute bei Kirchentagen und anderen Veranstaltungen Säle und Hallen mit Fans füllte, reiben sich konservative Christen an ihr.
Geboren 1958 als Tochter eines Kfz-Mechanikers und einer Krankenschwester begann Margot Schulze 1977 ihr Theologiestudium. 1981 heiratete sie Eckhard Käßmann, mit dem sie vier Töchter hat, inzwischen aber geschieden ist. Auch er wird Pfarrer - und nur er bekommt eine Stelle, als sie beide ihr Studium abschließen.
Käßmann, auch Kämpferin für Gleichberechtigung, wird zunächst nur Pfarrfrau. "Margot fühlt sich unwohl", berichtet Käßmanns langjähriger Berater Uwe Birnstein in einer in diesem Jahr erschienenen Biografie über diese Zeit.
Käßmann beginnt eine Dissertation und engagiert sich im Ökumenischen Rat der Kirchen. Anfang der 90er Jahre wird sie Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Hofgeismar, 1994 Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags.
1999 wird sie in Hannover zur Bischöfin von Deutschlands größter Landeskirche gewählt. Zehn Jahre später wird sie erste Frau an der Spitze der EKD, bleibt es aber nur für wenige Monate. Nach einer Fahrt unter Alkoholeinfluss tritt sie im Februar 2010 von allen kirchlichen Ämtern zurück.
Ihre Glaubwürdigkeit und Beliebtheit scheinen nach dem Fehltritt sogar zu steigen. "Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand", verabschiedet sie sich. Wie bereits beim öffentlichen Umgang mit ihrer Brustkrebserkrankung 2006 fliegen ihr Sympathien zu. Käßmann wird zum Vorbild in Geradlinigkeit und Umgang mit Fehlern.
2016 wird sie wegen ihrer Fähigkeit, Menschen zu erreichen, sogar als Kandidatin für das Bundespräsidentenamt gehandelt. Käßmann lehnt ab, bleibt als Gesicht des Reformationsjubiläums im Dienst ihrer Kirche.
Stehend applaudierend dankten die Mitglieder der EKD-Synode ihr dafür im November. Die EKD-Leitung übergab ihr dabei ein Geschenk - ein Buch, das Käßmann im Ruhestand, in dem sie lesen und schreiben will, wohl nicht als erstes lesen muss: die Bibel.
Corinna Buschow (epd)