Startseite Archiv Tagesthema vom 28. Februar 2018

Kirche positioniert sich auf der Bildungsmesse didacta

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Der Messestand der evangelischen und katholischen Kirche war Anlaufpunkt für viele Besucherinnen und Besucher.

„Kirche ist hier auf dem Marktplatz – wir stellen uns mitten rein“, sagt Pastor Gerd Brinkmann. Der Geschäftsstellenleiter des Schulwerks der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers meint das sowohl wörtlich wie auch im übertragenen Sinne: Der kirchliche Stand „mittendrin“ bei der Bildungsmesse didacta in Hannover steht mitten zwischen Schulbuchverlagen, Erlebnispädagogen und Schulmöbelherstellern, und er geht mitten hinein in die Debatte um Lernen, Zusammenleben und Teilhabe.

„Ich habe heute schon mehrere sehr intensive Gespräche mit ganz unterschiedlichen Menschen geführt“, antwortet Gerd Brinkmann auf die Frage, warum er aktuell viel Zeit auf dem hannoverschen Messegelände verbringt. Eine Schulleiterin aus der Region sieht sich von Eltern, die der Pfingstbewegung angehören, zunehmend bedrängt und sucht Stärkung für eine angemessene Reaktion. Ein junger Lehrer aus der Stadt Hannover möchte sich verändern und fragt nach Möglichkeiten, an eine evangelische Schule zu wechseln. Eine Gruppe von Lehrerinnen aus der Sekundarstufe I einer Schule in der Region fragt nach dem, was Schulen in evangelischer Trägerschaft denn eigentlich anders machen als diejenigen kommunaler Träger.

„Wir suchen engagierte junge Lehrkräfte für unsere Schulen, und Interessierte sondieren hier das Feld“, berichtet Brinkmann. „Das passt zusammen.“ In Gesprächen betont er, dass der Religionsunterricht an allen Schulen komplizierter geworden sei: Durch die wachsende kulturelle und religiöse Vielfalt in der Gesellschaft wachse auch das Informationsbedürfnis der Schülerinnen und Schüler.

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Ertragreiche Gespräche gab es am kirchlichen Stand auf der didacta. Bild: Hesse

„Die Anfragen an uns als Religionslehrer werden komplizierter, da braucht es viel Fachwissen“, sagt Brinkmann – einem von fachfremden Lehrkräften „nebenbei“ erteilten Religionsunterricht erteilt das Evangelische Schulwerk eine klare Absage. Auch dieser Positionierung dient der Kirchenstand auf der Bildungsmesse.

Ganz nebenbei ist dieser Stand auch ein schönes Stück Ökumene: Veranstalter sind die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und das Bistum Hildesheim in Kooperation mit der EKD und verschiedenen weiteren Bistümern. Auf eine individuelle Darstellung der Partner wurde bewusst verzichtet: Hier tritt Kirche sichtbar in ihrer Gesamtheit auf.

Verschiedene Themenfelder werden während der fünftägigen didacta am Kirchenstand in Halle 11 beackert: Das Krisenmanagement an Schulen gehört ebenso dazu wie die Friedensarbeit, die religiöse Sprachfähigkeit, der Einsatz von Filmen, die Theaterarbeit und die Voraussetzungen, die es für das Gelingen von Schule braucht. Mal nehmen 40 Interessierte auf den bereitgestellten Stühlen Platz, um mit Referentinnen und Referenten zu diskutieren, mal sind es nur fünf oder sechs.

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Bild: Hesse

Am Nachmittag des dritten Messetages besuchen die SPD-Abgeordneten des Kultusausschusses im Niedersächsischen Landtag den Kirchenstand und kommen mit Mitarbeitenden ins Gespräch.

„Für uns sind das gute Gelegenheiten, uns in die aktuelle Bildungsdiskussion einzubringen“, sagt Dr. Marc Wischnowsky, Leiter des Referates für Kirche und Schule im Landeskirchenamt.  Er verbringt viel mehr Zeit am Stand, als er eigentlich eingeplant hatte – vor allem das Zuhören empfindet er hier als sehr lohnend. Wichtig ist ihm, dass Kirche als Protagonistin in der Bildungslandschaft wahrgenommen wird und dass sie Interessierten theologische Anknüpfungspunkte auch zwischen Mathebüchern und pädagogischen Handpuppen bietet.

Viele Religionslehrerinnen und -lehrer suchen solche Anknüpfungspunkte und finden den Weg zum Kirchenstand. Neben Materialhinweisen und Fachgesprächen unter Kolleginnen und Kollegen bietet der Stand auch so etwas wie einen Ruhepunkt inmitten des allgemeinen Trubels – die Kaffeemaschine kennt während der fünf Messetage keine Pause.

Andrea Hesse
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Die Veranstaltung am Kirchenstand auf der didacta wurden sehr gut angenommen. Bild: Kirche und Schule

Landesbischof auf dem roten Sofa

Ralf Meister hat viele Termine. Trotzdem hat es sich der Landesbischof nicht nehmen lassen, den Kirchenstand auf der didacta zu besuchen. Im Talk auf dem roten Sofa erzählte er über seine Studienzeit in Jerusalem, warum er bewusst kleinere Kirchengemeinden in seiner Landeskirche besucht und was seine persönliche Kraftquelle ist.

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Landesbischof Ralf Meister im Interview bei der didacta. Bild: Kirche auf der Bildungsmesse

Kooperation ist Weg der Zukunft

Bildungs-expertin Silke Leonhard sieht im konfessionell- kooperativen Religionsunterricht eine wichtige Perspektive für die Zukunft. "Wir werden über kurz oder lang Wege finden und auch gehen müssen, die Kooperation noch weiter zu fassen", sagte Leonhard dem epd am Rande der Bildungsmesse "didacta", die am Sonnabend in Hannover zu Ende geht.

Seit einigen Jahren bieten viele Schulen einen gemeinsamen Religionsunterricht mit evangelischen und katholischen Schülern und einer Lehrkraft aus einer der beiden Konfessionen an. Daran nimmt in Niedersachsen nach einer Statistik der Landesschulbehörde inzwischen rund ein Viertel der Schüler teil.

Auf Unterrichtsebene sowie in der Fortbildung könne auch die Zusammenarbeit mit dem Fach "Werte und Normen", dem islamischen Religionsunterricht und anderen Fächern weiter ausgebaut werden, sagte Leonhard, die in Loccum bei Nienburg das Religionspädagogische Institut der hannoverschen Landeskirche leitet. Grundlage bleibe aber weiterhin die konfessionelle Ausrichtung des Religionsunterrichtes, betonte die habilitierte Religionspädagogin. "Er möchte Kinder und Jugendliche urteilsfähig machen in Sachen Religion." Darin unterscheide sich der Religionsunterricht vom Fach "Werte und Normen", das eine andere Haltung zu den vermittelten Inhalten habe.

"Die öffentliche Schule ist neutral, aber ihr Personal nicht automatisch", betonte Leonhard. Schüler, Lehrkräfte und andere Beschäftigte brächten vielfach bewusst oder unbewusst eine religiöse Bindung oder Zugehörigkeit mit. "Man kann sich dann entscheiden, dass man so einer Gemeinschaft vielleicht nicht mehr angehören will, aber die Anbindung ist erstmal da." Sie müsse in jedem Fall reflektiert werden.

Laut Leonhard nimmt der Religionsunterricht an der Schule eine besondere Rolle ein. Auf der einen Seite vermittele er Wissen, und die Lehrer bewerteten versetzungsrelevant die Leistungen der Schülerinnen und Schüler. Auf der anderen Seite bringe er existenzielle Fragen der Kinder und Jugendlichen zur Sprache.

Nach der Statistik der niedersächsischen Landesschulbehörde besuchen derzeit rund 44 Prozent der Schülerinnen und Schüler ab der fünften Klasse den evangelischen und 8 Prozent den katholischen Religionsunterricht. 24 Prozent nehmen am konfessionell-kooperativen Unterricht teil. Etwa 18 Prozent haben das Fach "Werte und Normen" gewählt, rund ein Prozent den islamischen Religionsunterricht. Fünf Prozent besuchen keines dieser Fächer.