Startseite Archiv Tagesthema vom 09. Februar 2018

Den Tod nicht ausklammern

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Am 10.02. ist Tag der Kinderhospizarbeit: Seelsorgerin vom Kinderhospiz im Interview

"Tod und Sterben ist für mich eine Thematik, in der es im Kontakt mit den Menschen um Wesentliches geht. An diesen Punkten begleite ich gerne Erwachsene, Kinder und Jugendliche" sagt Maren Kujawa. Seit November ist die Pastorin Seelsorgerin an einem ganz besonderen Ort: dem Kinder- und Jugendhospiz Löwenherz in Syke bei Bremen. Nach über 20 Jahren Gemeindearbeit wollte sie mehr seelsorgerisch tätig werden und suchte nach neuen Aufgaben. 

"Die ersten Wochen hier waren sehr voll, ich habe die Vielfältigkeit der Arbeit Stück für Stück kennengelernt" sagt sie.

Im Interview erzählt Maren Kujawa von ihrer Arbeit im Hospiz, den Menschen, denen sie begegnet und wie ihr Tagesablauf an diesem Ort aussieht.

Seelsorgerin Maren Kuwaja

Wie sieht Ihr Tag im Hospiz aus? 

Maren Kujawa: Ich gehe in mein Büro, öffne meinen Computer, eventuelle Mails und das elektronische Kommunikationssystem des Hospizes. Dann gehe ich auf die Pflegestation und frage die Pflegerinnen, ob etwas Bestimmtes anliegt; ein Gespräch z.B.. Danach gehe ich in den Aufenthaltsraum des Kinder- oder Jugendhospizes und setze mich mit einem Tee zu den Gästen und lerne sie kennen. Meist entsteht dort sehr schnell ein Gespräch. Manchmal kommen Mütter oder Väter auch direkt auf mich zu und bitten um ein Gespräch. Die Themen sind dann oft Geschwisterprobleme, Vorbereitung auf die Beerdigung oder Hilfsangebote vom Löwenherz beim Tod des Kindes.

Das Mittagessen mit den Gästen ist Dienstzeit. Danach erfolgt im Begleiterteam, einem Team aus Pädagogen, Heilerziehern und Sozialpädagogen, die für die Eltern und Geschwister da sind, eine Übergabe; danach bin ich bei der Übergabe der Pflege dabei.

Welche Rituale gibt es im Haus, wie wird mit Leben und Tod umgegangen?

Maren Kujawa: Für jedes Kind, was hier im Haus aufgenommen wird, basteln Eltern und/oder Geschwister einen Schmetterling, der dann vorne im Eingangsbereich des Kinderhospizes aufgehängt wird. Die ganze Decke hängt voller Schmetterlinge mit Namen und Fotos der Kinder. Das Basteln des Schmetterlinges begleiten die Seelsorger oder das Begleiterteam. Manchmal ergeben sich dort sehr dichte Gespräche mit den Familien. 

Wenn ein Kind gestorben ist, wird im Eingangsbereich eine besondere Kerze angezündet und der Name darauf geschrieben, sodass alle Bescheid wissen. Bei einem Abschiedsritual wird der Schmetterling  mit einem Luftballon in den Himmel geschickt. Und in den Erinnerungsgarten ein Stein mit dem Namen des Kindes gelegt. Bei den Jugendlichen wird ein Segel gebastelt. Das Ritual, zu dem die Eltern mit ihren Kindern und vielleicht noch Familien oder Freunden ins Hospiz kommen, findet ca. sechs Wochen bis drei Monate nach dem Tod des Kindes statt. Damit nimmt die Familie vom Löwenherz und den Erinnrungen hier Abschied, auch Mitarbeiter aus dem Haus, die das Kind gekannt haben, sind bei dem Ritual dabei. Es ist eine sehr dichte emotionale Atmosphäre.

Das Kinder- und Jugendhospiz Löwenherz in Syke. Bild: Löwenherz

Was macht die Arbeit in diesem sehr besonderen Umfeld mit Ihnen?

Maren Kujawa: Als ich das Löwenherz das erste Mal besucht habe, habe ich eine sehr besondere Atmosphäre wahrgenommen. Ein Haus, das innen, wie außen ganz umsichtig und liebevoll gestaltet wurde. Die lichtvolle Architektur, ein wunderschöner Garten, ein Musikraum, Spielzimmer, Schwimmbad, Massageraum, die gemütliche Gestaltung der Räume im Kinderhospiz, die coole Ausstrahlung der Räume im Jugendhospiz, der sehr geborgen gestaltete Abschiedsraum. Und sehr freundliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Pflege, Hauswirtschaft, Verwaltung, Technik und im Begleiterteam. 

Ich glaube, eine Mischung aus Liebe, Fürsorge, Achtsamkeit und Respekt vor den erkrankten Kindern und ihren Eltern und Geschwistern macht die Atmosphäre so besonders. Dazu kommt, dass es hier um Leben und Tod geht, der Tod nicht ausgeklammert wird. Das alles trägt zu dieser intensiven Stimmung im Haus bei, die ich sonst nur aus Klöstern kenne.

Gibt es ein Erlebnis, dass Sie nachhaltig beeindruckt hat bzw. an das Sie oft denken?

Maren Kujawa: Ganz am Anfang: Eine Jugendliche, die hier im Haus meist nur auf einem Bett liegend durch die Räume gefahren wurde (ständig beatmet) und nicht sprechen konnte, sondern sich nur durch die Bewegung der Augenlider mit Ja oder Nein verständigen konnte. Einen Tag später sah ich, wie sie mit einem Begleiter und einem anderen Jugendlichen UNO im Aufenthaltsraum spielte. Der Begleiter hielt für sie die Karten und fragte sie immer, welche Karten sie spielen sollte und durch das Augenzwinkern wählte sie aus. Wahnsinn!

Einen Tag später saß ich dann neben ihr als ihr vom Begleiterteam erzählt wurde, dass sie für sie Karten für das "Tote Hosen"- Konzert in Bremen im November bekommen hätten. Sie war nämlich "Tote- Hosen-Fan". Ihr Puls – ich saß neben dem Gerät - ging sofort in die Höhe und ich sah, wie sie sich freute. Zwei Dinge wurden mir dabei bewusst: 1. Wie normal doch auch die Interessen der erkrankten Jugendlichen sind. 2. Wie sich das Begleiterteam bemüht, den Jugendlichen solche Erlebnisse zu organisieren.

Es sind dann zwei erkrankte Jugendliche mit zwei Pflegerinnen zu dem Konzert gefahren und sie hatten einen wunderbaren Abend.

Kinderkrankenschwestern wie Ulrike Senn kümmern sich im Hospiz um die Kinder. Bild: Uwe Lewandowski

Tag der Kinderhospizarbeit

Der bundesweite „Tag der Kinderhospizarbeit“ macht jeweils am 10. Februar (erstmalig im Jahre 2006) auf die Situation von Kindern und Jugendlichen mit lebensverkürzender Erkrankung und deren Familien aufmerksam. Als Zeichen der Verbundenheit rufen wir die Menschen dazu auf, die grünen Bänder der Solidarität z. B. an Fenstern, Autoantennen oder Bäumen zu befestigen. Das gemeinsame Band soll die betroffenen Familien mit Freunden und Unterstützern symbolisch verbinden.

Deutscher Kinderhospizverein

Das Jugendhospiz

Im Jugendhospiz werden Jugendliche und junge Erwachsene mit tödlich verlaufenden Krankheiten versorgt. Im Film erzählt die Mutter von Maja von diesem besonderen Ort.

Kinderhospizarbeit

Seit 20 Jahren gibt es in Deutschland Kinderhospize. Sie betreuen Kinder mit einer lebensverkürzenden Erkrankung und ihre Familien für bis zu vier Wochen im Jahr. Das Angebot gilt ab dem Zeitpunkt der Diagnose. In Deutschland leben nach Angaben des Bundesverband Kinderhospiz etwa 40.000 Kinder und Jugendliche mit lebensbegrenzenden Erkrankungen. 

Die Kinderhospizbewegung stammt aus England, wo es Gaby Letzing zufolge mittlerweile rund 50 stationäre Einrichtungen dieser Art gibt. Letzing leitet seit 15 Jahren und damit von Beginn an das Kinderhospiz Löwenherz, das vor fünf Jahren noch um ein Jugendhospiz erweitert wurde.

Ende der 1980er Jahren griffen einige deutsche Familien die Idee auf und gründeten am 10. Februar 1990 den Deutschen Kinderhospizverein. 1998 wurde das erste Kinderhospiz in Olpe im Sauerland eröffnet. Im selben Jahr wurde der Verein "Kinderhospiz Löwenherz" gegründet. Fünf Jahre später folgte die Eröffnung der Kinderhospize in Hamburg, Berlin und Löwenherz in Syke. Mittlerweile gibt es bundesweit 14. Nach Letzings Ansicht haben lediglich Bayern und Ostdeutschland noch Nachholbedarf.

epd
Bild: Löwenherz