Das Leben ist ungerecht
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Andacht zum 3. Sonntag vor der Passionszeit: Septuagesimae
"Das Leben ist ungerecht, aber denke daran, nicht immer zu deinen Ungunsten." (John F. Kennedy)
Helmut ist 53 Jahre alt. In der Kantine bekommt er immer eine halbe Portion. Die Dame an der Essensausgabe scheint ihn systematisch auf Diät setzen zu wollen. Dabei bezahlt auch er den vollen Preis. Neidisch schielt er zu seinem Vorgänger in der Schlange. Seine Frau nennt es „Futterneid“, aber für Helmut ist es eine bodenlose Ungerechtigkeit!
Nicole ist 42 Jahre alt. Seit über 10 Jahren macht sie die Buchhaltung der Spedition. Mit dem Senior-Chef hat sie sich immer gut verstanden, doch seit sein Sohn die Firma leitet, weht ein anderer Wind. Von einem Tag auf den anderen hat der Junior zwei weitere Mitarbeiter eingestellt. Junge Männer mit Smartphones und Headsets, immer erreichbar. Eines Tages bekommt Nicole zufällig deren Gehaltsabrechnung zwischen die Finger. Sie stellt fest: Seit 3 Monaten arbeiten die Beiden nun hier und schon bekommen sie rund 30% mehr Gehalt als sie. Ist das fair?
Heide war 29 Jahre alt. Die Krebszellen haben sich durch die Schwangerschaft besonders schnell vermehrt, sagen die Ärzte. Nun sitzt ihr Mann da mit dem ein-jährigen Sohn. Er hat seine Mutter nie wirklich lachen sehen. Doch je düsterer die Stimmung in den letzten Tagen ihres Lebens wurde, desto mehr strahlte der Kleine. Es schien, als würde dieses Kind die fehlende Lebensfreude seiner Eltern ausgleichen. Nun wird er bei Papa und Oma aufwachsen. Irgendwann wird er feststellen, dass die anderen Kinder noch Mütter haben. Dann wird er fragen: Ist das gerecht?
Wer Gott kennt, weiß: Er ist ein Gott, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden. So verkündet es der Prophet Jeremia. Ich muss sagen: Je älter ich werde, desto häufiger erlebe ich, wie ungerecht sich das Leben manchmal anfühlen kann. Mal sind es kleine Sticheleien, die einen mit jedem Tag mehr zweifeln lassen. Mal sind es große Gemeinheiten, die eine unglaubliche Wut und Trauer hinterlassen.
Im Theologie Studium habe ich gelernt, dass die Bibel in ihrer ganz eigenen Art von „Gerechtigkeit“ spricht. Das muss so sein. Denn wo war der barmherzige und gerechte Gott als die junge Mutter viel zu früh von ihrem Kind gerissen wurde?
Bei all der Fassungslosigkeit keimt ein Gedanke in mir. Was, wenn wir dieses, unser Leben gar nicht so recht überblicken können? Was, wenn wir Menschen aus der Perspektive Gottes ohnehin nur „von 12 bis mittag“ denken? Vielleicht stecken wir fest in unserer begrenzten Sicht auf die Dinge? Die Ungerechtigkeit in unserem Leben bleibt ein Rätsel und Ungeklärtes kann zur Anfechtung reifen. In solchen Momenten pflegt meine Mutter zu sagen: „Jaja, der Mensch denkt und Gott lenkt.“ Es bleibt uns nichts anderes übrig als darauf zu vertrauen, dass Gott unser Leben in die richtigen Bahnen manövriert, auch wenn wir so manche Abbiegung oder Talfahrt noch nicht verstehen.
Medienvikarin Meret Köhne