Kirchenmusik weiter denken - 10 Loccumer Thesen
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1. Tradition ins Gespräch bringen, Innovation wagen
Kirchenmusik hält das kulturelle Gedächtnis lebendig, agiert kreativ und gestaltet Gegenwart. Wir wünschen uns eine Kirchenmusik, die im öffentlichen Raum verankert ist, in den Dialog mit der Öffentlichkeit tritt und Brücken in die Zivilgesellschaft baut.
Im konzertanten Bereich tragen innovative Aufführungsformate zu diesem Brückenbau Wesentliches bei. Dafür braucht es mehr Ressourcen und Unterstützung seitens der kirchlichen Entscheidungsträger.
2. Kirchenmusik vom Gottesdienst, Gottesdienst von der Kirchenmusik her denken
Kirchenmusik ist Kommunikation des Evangeliums. Im Gottesdienst verbindet sich die Kirchenmusik mit der Rede von Gott und dem Gebet der Kirche. Kirchenmusik hat prophetische Qualität, sie ist Stimme der Hoffnung für unsere Zeit
Wir wünschen uns eine Kirchenmusik, die Gefühle ausdrückt und weckt sowie zur Reflexion anregt. Dazu braucht es unterschiedliche Möglichkeiten der Partizipation, mehr einfache Formen und ein fein abgestimmtes und produktives Zusammenspiel von Wort und Musik.
Pastorinnen und Kirchenmusiker kooperieren im Gottesdienst gut abgestimmt auf Augenhöhe. Dafür braucht es frühzeitig regelmäßige Begegnungen im Rahmen der Ausbildung, so dass eine bessere Kultur des Miteinanders entstehen kann.
3. Singen fördern
Singen ist die Basis der Kirchenmusik und eine elementare Ausdrucksform des Protestantismus. Kirche erkennt man an der Vitalität ihrer Gesänge. Wir setzen uns dafür ein, dass das Singen als Ausdruck des Glaubens in allen Arbeitsfeldern gefördert wird: in der KiTa ebenso wie im Seniorenkreis, in Projektchören und Kantoreien. Konzepte kirchenmusikalischer Arbeit sind auf sozialräumliche Faktoren abzustimmen. Die ländlichen Regionen brauchen dabei besondere Aufmerksamkeit. Kinder- und Jugendchöre leisten hier einen wesentlichen Beitrag zur kulturellen und musikpädagogischen Bildung.
4. Musikalische Laienkultur wertschätzen
Die Synergie zwischen künstlerisch-professioneller Arbeit und musikalischer Laienkultur ist das Spezifikum der Kirchenmusik. Besondere Beachtung verdient das Musizieren von Laien in Gruppen, in dem sich musikalische, religiöse und soziale Bildungsarbeit auf das Engste miteinander verbindet. Im evangelischen Kontext stellt die Posaunenchorarbeit mit ihrer unverwechselbaren Klangfarbe einen besonderen Schatz dar.
5. Musiker*innen gewinnen und beteiligen, Gemeinde musikalisch entwickeln
Kirchenmusik lebt von der Bandbreite verschiedener Professionalitätsgrade. Professionelle Musiker*innen sehen es als ihre Aufgabe an, neben – und ehrenamtliche Musiker*innen auf Augenhöhe in Gottesdienst und Gemeinde zu beteiligen.
Gute Dienste leistet hier z.B. eine kirchliche Musikschule. Sie fördert musikalische Bildung, kann neue Musiker*innen gewinnen, die Gemeinde beleben und z.B. durch das Musizieren mit Migranten interkulturelle Begegnung ermöglichen.
6. Unterschiedliche Musikertypen gewinnen, Kommunikation und Teamwork fördern
In einer immer diverser werdenden Gesellschaft ist die Kirchenmusik dazu aufgefordert, neue Wege der Profilierung und Ausdifferenzierung zu suchen. Wir brauchen stärker als bisher unterschiedliche Musikertypen: Quereinstiege im Studium und Beruf sind zu ermöglichen. Über die Konzentration auf die musikalischen Kernkompetenzen hinaus sollten Kirchenmusiker*innen in der Lage sein, ihre Anliegen und Inhalte zu kommunizieren. Kirchenmusiker*innen müssen nicht alle Bereiche selbst abdecken. Kirchenmusik ist Teamwork!
7. Musikvermittlung etablieren und ausbauen
Musikvermittlung schafft Zugänge zur musikalischen und geistlichen Dimension von Kirchenmusik. Sie regt eine Auseinandersetzung mit Glaubensfragen an. Dabei kann sie auch neue, kirchenferne Zielgruppen erreichen. Kirchenmusikvermittlung entwickelt sich zu einem spezifischen Arbeitsfeld, das flächendeckend etabliert und weiterentwickelt werden muss. Sie kann wesentlich dazu beitragen, dass der Funke überspringt und sich Menschen aus verschiedenen Milieus und Generationen für Kirchenmusik (z.B. auch für Orgelmusik und Orgelspiel) interessieren und engagieren.
8. Kirchenmusik professioneller steuern
Zur Zukunftssicherung der Kirchenmusik arbeiten Kirchenmusiker*innen an konkreten Konzepten auf der Ebene der Landeskirchen und der Kirchenkreise mit. Solche kirchlich verantworteten Konzepte klären,
1. welche inhaltliche Entwicklung Kirchenmusik nehmen soll,
2. wie Nachwuchsgewinnung gefördert werden kann,
3. mit welchen Profilen auf Landes- und Kirchenkreisebene Stellen eingerichtet, weiterentwickelt und attraktiv gehalten werden können,
4. wie lebenslanges Lernen in der Kirchenmusik befördert werden kann.
Die Synoden auf allen Ebenen der Kirche brauchen kirchenmusikalisch kompetente Ausschüsse oder Beiräte, die antrags- bzw. berichtsberechtigt sind. Auf EKD-Ebene braucht es eine Verständigung über Ausbildungsgänge und Berufsprofile, sowohl für die Studienabschlüsse (BA bzw. MA), als auch für die Ausbildungsgänge (C) und die berufliche Beschäftigung der Ausgebildeten.
9. Friedensarbeit und Integration musikalisch fördern
Kirchenmusik setzt sich für interreligiöse Begegnung ein. Friedensarbeit kann wesentlich durch gemeinsames Musizieren befördert werden. Dabei kann auch gesellschaftliche Integration besser gelingen. Kirchenmusik und Diakonie sind aufeinander angewiesen und bezogen, sie sind beide Dienst am Menschen und vor Gott.
10. Digitalisierung von Kultur aus denken
Digitalisierung ist nicht zuerst eine technologische, sondern eine kulturelle Herausforderung. Aufmerksam nimmt Kirchenmusik neue Entwicklungen wahr und fragt nach Möglichkeiten zeitgemäßer Kommunikation – nicht nur im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit. Die Aufgabe der Vernetzung der Akteure gehört zum festen Bestandteil kirchenmusikalischer Kommunikation.