Ein Mann der klaren Worte
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Niedersächsischer Diakoniechef Christoph Künkel in den vorzeitigen Ruhestand verabschiedet
Christoph Künkel ist ein Mann der klaren Worte. "Wir müssen weg von der Barmherzigkeit und hin zur Gerechtigkeit", forderte der Vorstandssprecher der Diakonie in Niedersachsen einmal mit Blick auf die soziale Arbeit. Und Gerechtigkeit war ein gemeinsamer Nenner, wenn sich der evangelische Theologe stark machte für Menschen am Rande der Gesellschaft: Alleinerziehende, Pflegebedürftige, Kinder in Armut, Wohnungslose oder Flüchtlinge. Nach fast zehn Jahren in Spitzenämtern der Diakonie in Niedersachsen ist der 59-Jährige am Freitag aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in den Ruhestand verabschiedet worden.
Im Jahr 2007 wurde Künkel als Oberlandeskirchenrat Abteilungsleiter der Diakonie im Landeskirchenamt der hannoverschen Landeskirche. Anfang 2009 übernahm er zusätzlich das Amt als Direktor des Diakonischen Werkes. Seit im Januar 2014 vier der fünf evangelischen Kirchen in Niedersachsen das gemeinsame Diakonische Werk evangelischer Kirchen in Niedersachsen gegründet haben, auch um mit gemeinsamer Stimme klarer ihre Positionen nach außen zu vertreten, stand er als Vorstandssprecher an der Spitze des Zusammenschlusses. Ihm gehören die Landeskirchen von Braunschweig, Hannover und Schaumburg-Lippe sowie die reformierte Kirche an.
Seitdem hat Künkel so manches Mal das Wort erhoben. Künkel habe der Diakonie in Niedersachsen in prägender Weise ein Gesicht gegeben, sagte der hannoversche Landesbischof Ralf Meister im Abschiedsgottesdienst. Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) hob Künkels Engagement für soziale Gerechtigkeit hervor. "Sie hatten die im Blick, die sonst wenig Lobby haben", sagte sie. Künkel selbst rief in seiner Abschiedspredigt noch einmal dazu auf, eine soziale Spaltung der Gesellschaft nicht hinzunehmen. Wenn ein Viertel der Beschäftigten im Niedriglohnsektor tätig seien, beschere dies zwar der Wirtschaft goldene Zeiten. Aber mit Sicherheit habe es auch Altersarmut zur Folge.
Nicht gerecht ist aus Künkels Sicht auch das Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder aus armen Familien. Um ihnen vernünftige Schulmaterialien kaufen zu können und ihnen damit gleiche Chancen zu öffnen, sei mehr Geld nötig. "Armut darf sich nicht vererben", dieses Thema stand immer wieder auf der Agenda des Diakoniechefs. Künkel forderte mehr Unterstützung für Alleinerziehende oder geißelte die internationale Politik der Abschottung gegenüber Flüchtlingen.
Auch für bessere Arbeitsbedingungen und einen allgemeingültigen Tarifvertrag für die Pflegekräfte setzte er sich ein. In seiner Amtszeit schlossen die Wohlfahrtsverbände, darunter auch die Diakonie, sowie die Gewerkschaft ver.di in Niedersachsen einen Tarifvertrag für die Ausbildung in der Pflege. Der Versuch, diesen für allgemeinverbindlich erklären zu lassen, scheiterte jedoch.
Künkel galt schon als Superintendent in Hittfeld bei Hamburg, wo er von 1999 bis 2007 den evangelischen Kirchenkreis leitete, als "streitbarer Kirchenmann". So überschrieb zumindest das Hamburger Abendblatt den Artikel zu seinem Abschied. "Er war auch gern unbequem und meldete sich zum Beispiel zu Wort, wenn es aus seiner Sicht zu viele verkaufsoffene Sonntage gab, oder es um Fragen der Begräbniskultur ging", heißt es dort. Bis heute wohnt Künkel in Hittfeld.
Christoph Künkel studierte Theologie in Tübingen, Großbritannien und Göttingen. Nach seinem Vikariat in Celle war er unter anderem wissenschaftlicher Assistent in Erlangen, wo er 1989 promoviert wurde. Von 1990 bis 1999 war der in Fallingbostel geborene Theologe Gemeindepastor in Eschede bei Celle. In diese Zeit fällt ein tragisches Ereignis, das den niedersächsischen Ort in das Gedächtnis der Deutschen gegraben hat - das Zugunglück vom 3. Juni 1998.
Künkel gehörte zu den Pastorinnen und Pastoren, die schon bald nachdem der ICE "Wilhelm Conrad Röntgen" entgleist war, am Unglücksort Verletzten, Angehörigen und Helfern als Seelsorger zur Seite standen. "Bilder bleiben, Gefühle von vor zehn Jahren werden leicht lebendig, Narben auf der Seele bleiben spürbar", sagte er 2008 in einer Andacht zum Jahrestag. Damals habe es keine Zeit zum Fragen gegeben: "Hände wurden gebraucht, und wenn Worte, dann ruhige knappe Wortes des Trostes."
Karen Miether (epd)