Startseite Archiv Tagesthema vom 28. August 2017

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Von Posaunenmusik bis Hip Hop: Ein Fest für alle in Hannovers Altstadt

Der Besucheransturm hat alle Erwartungen übertroffen. Rund 120.000 Menschen drängten sich am Sonnabend in Hannover nach Veranstalterangaben bei einem "Fest für alle" der evangelischen Kirche durch die Altstadt. Anlass war das 500. Reformationsjubiläum in diesem Jahr. Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister lobte die lockere Fröhlichkeit der Angebote: Posaunenmusik am Historischen Museum, Plattdeutsch vor dem Ballhof-Theater und Thesenanschläge rund um die Marktkirche. Die Kirche präsentierte sich bunt, musikalisch und kreativ. Von Verhüllungskunstwerken über Posaunenmusik bis hin zu Hip Hop mit Rapper SPAX war alles dabei.


Es sei tatsächlich "Ein Fest für alle", da es keinen theologisch-protestantischen Schwerpunkt gebe, erläuterte der Bischof. "Auch unsere katholischen und muslimischen Freunde sind zu Gast." Rund um die Marktkirche informierten kirchliche Einrichtungen in weißen Pavillons über ihre Arbeit. Die Johanniter etwa präsentierten eine ihrer Rettungshundestaffeln. Die Friedensarbeit vom Haus kirchlicher Dienste zeigte eine "Crazy-Quilt", den rund 80 Beteiligte aus Fetzen einer Uniform und Botschaften zu Krieg und Frieden zusammengenäht hatten. Die Flughafenseelsorge, das diakonische Zahnmobil für Obdachlose und das Evangelische Flüchtlingsnetzwerk mit seiner fahrenden Fahrradwerkstatt waren ebenfalls vertreten. 

Landesbischof Ralf Meister mit Rapper SPAX. Bild: Jens Schulze

Für besonderes Aufsehen sorgte Künstlerin Kerstin Schulz, die zum einen in der Marktkirche ein begehbares Zimmer aus 500.000 Bleistiften aufgebaut hatte. Zum anderen hatte sie das Luther-Denkmal vor der Kirche in lilafarbenes Geschenkpapier gehüllt. "Viele finden das ganz furchtbar, andere loben die Aktion", sagte sie. Am Stand der Evangelisch-reformierten Kirche konnten Besucher selbst gewählte Bibelverse per Hand aufschreiben. Die Seiten sollen später als "Neue Hannover Bibel" hochwertig eingebunden werden. Auf eigens aufgestellten Flächen konnten an vielen Orten individuelle Thesen angeschlagen werden. Auf einer großen Wand der Diakonie waren etwa Forderungen nach kostenloser Bildung für alle und nach mehr Investitionen in den Frieden zu lesen. 

Zahlreiche Zuhörer verfolgten am Nachmittag verschiedene Podiumsdiskussionen, unter anderem mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. Er forderte mehr Qualitätsjournalismus: "Journalisten müssen das wirklich Wichtige aus der großen Flut von Informationen auswählen." Nachrichten über den weltweiten Hunger mit mehr als 20.000 Toten täglich spielten im Vergleich zu Klatschmeldungen etwa gar keine Rolle.

Bild: Jens Schulze

Die ehemalige Landesbischöfin Margot Käßmann, hatte das Fest eröffnet und an die Internationalität des Reformationsjubiläums erinnert. Es werde mit Christen aus Afrika, Asien, Nord- und Südamerika gefeiert, sagte die EKD-Reformationsbotschafterin. "Gerade in Zeiten, in denen Nationalismus neu wächst, ist das ein Zeichen: "Wir sind Geschwister im Glauben über nationale Grenzen hinweg und lassen uns nicht länger gegeneinander ausspielen." Die evangelische Kirche feiert bis Oktober dieses Jahres 500 Jahre Reformation. 1517 hatte Martin Luther (1483-1546) seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht.

epd
Bild: Jens Schulze

Für Qualitätsjournalismus

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat mehr Qualitätsjournalismus gefordert. "Journalisten müssen das wirklich Wichtige aus der großen Flut von Informationen auswählen", sagte er am Sonnabend bei einer Podiumsdiskussion in Hannover. Nachrichten über den weltweiten Hunger mit mehr als 20.000 Toten täglich spielten im Vergleich zu Klatschmeldungen etwa gar keine Rolle. Bedford-Strohm diskutierte während eines "Festes für alle" der evangelischen Kirche anlässlich des 500. Reformationsjubiläums mit Wissenschaftlern über "Fake News, alternative Fakten". 

Der Freiburger Sprachwissenschaftler Uwe Pörksen sagte, Qualitätsmedien, vor allem Zeitungen, müssten wieder viel stärker Faktenhintergründe liefern und politische Debatten versachlichen. Dies helfe auch gegen sogenannte Fake News. Medien erlaubten Politikern aber viel zu oft, sie als "Wahlkampfplattformen für die öffentliche Stimmungsschaukel" zu missbrauchen. 

Der Soziologie-Professor Harald Welzer sagte, die Medien ließen sich heute viel zu leicht von Hektik und Oberflächlichkeit im Internet anstecken: "Jedes Witzereignis ist ein Riesending, über das hysterisch tagelang berichtet wird." Es sei etwa übliche Strategie rechter Politiker, "irre Behauptungen" in die Welt zu setzen und die Medien dafür als Resonanzböden zu nutzen. Die Medien täten ihnen diesen Gefallen auch dann, wenn sie deren "Fake News" richtig stellten. Die hiesige Medienlandschaft sei aber bei weitem nicht so hysterisch wie etwa die US-amerikanische, sagte der aus Hannover stammende Welzer. Er ist Mitinitiator eines bundesweiten Netzwerks, das für die offene Gesellschaft wirbt. 

epd
Bild: Jens Schulze