"Budget für Arbeit ist kein Selbstläufer"
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Auf dem regulären Arbeitsmarkt sollen mehr Jobs für behinderte Menschen entstehen
Monika Grünagel (51) ist ein "alter Hase": Die behinderte Frau arbeitet seit zehn Jahren im Budget für Arbeit - auf einem der seltenen, vom Staat subventionierten Jobs im regulären Arbeitsmarkt. Vor ihrem Wechsel als Hauswirtschafterin in ein Seniorenheim der Diakonie in Zweibrücken war sie 25 Jahre lang in einer Werkstatt für behinderte Menschen tätig. Grünagel kennt beide Arbeitswelten: "In der Werkstatt habe ich an der Maschine gestanden, das war immer ein und dasselbe. Hier habe ich viel mit Menschen zu tun, das ist ein anderes System. Ich schaffe gern. Rumhocken, das mag ich nicht."
Dass Menschen mit Handicap wie sie der Werkstatt dauerhaft den Rücken kehren und einen regulären Job finden, passiert nur selten. Noch gelten die betreuenden Einrichtungen als Lebens- und Arbeitsbereiche, die kaum Berührungspunkte zur "Welt da draußen" haben - und die zum ersten Arbeitsmarkt wenig durchlässig sind.
Doch das soll nicht so bleiben. Auch deshalb ermöglicht das Bundesteilhabegesetz ab 2018 das Budget für Arbeit. Damit werden Arbeitsplätze in der freien Wirtschaft massiv staatlich subventioniert. Doch ob dadurch mehr Menschen mit Behinderungen reguläre Stellen finden, ist völlig offen.
Experten erwarten keine Wunder - auch mit Blick auf Erfahrungen aus den drei Bundesländern Rheinland-Pfalz, Niedersachen und Hamburg, die das Budget für Arbeit schon seit Jahren anbieten, heißt es im Fachmagazin "Werkstatt:Dialog".
"Es ist ein interessantes Instrument, um Übergänge zu schaffen, nicht mehr und nicht weniger", sagte Thomas Umsonst, Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen Rheinland-Pfalz, dem Blatt. Der Experte warnt vor zu hohen Erwartungen an das Budget, das Lohnkostenzuschüsse bis zu 75 Prozent und individuelle Begleitung und Anleitung am Arbeitsplatz vorsieht: "Die Nachfrage ist nicht so stark, wie die Politik sich das wünscht."
Das belegen auch die Zahlen aus den budgeterfahrenen drei Ländern. Dort verließen zwischen ein und zwei Prozent der Werkstättenbeschäftigten ihre Einrichtung. Nach Angaben der Bundesregierung waren es bundesweit im Schnitt der Jahre 2002 bis 2006 lediglich 0,16 Prozent.
Martin Berg, Chef der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für Menschen mit Behinderung, sagt: "Ich glaube nicht, dass das Budget für Arbeit dazu führt, dass Werkstattbeschäftigte im großen Stile auf den allgemeinen Arbeitsmarkt wechseln." Die dortigen Mitarbeiter seien als Arbeitskräfte "für einen Unternehmer in der Regel auch mit Budget für Arbeit nicht interessant." Die Wechselquote von maximal zwei Prozent erscheine zwar niedrig, "sie ist aber im Vergleich zur Übergangsquote ohne Budget für Arbeit beachtlich."
Uwe Schummer, Beauftragter für Menschen mit Behinderungen der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, gibt sich optimistisch. Er sagte dem epd: "Ich finde es großartig, dass wir mit diesem Modell nun bundesweit starten." Die Wahlmöglichkeiten würden erhöht. Zugleich verwies der Unionsvertreter auf das schon 2016 gestartete 150-Millionen-Euro-Förderprogramm zum Ausbau von sogenannten Inklusionsfirmen. "Beides wird die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verbessern."
Einen Exodus aus den Werkstätten erwartet auch Kerstin Tack nicht. Das sei "ein unrealistisches Szenario, wenn wir uns mal die bisherigen Übergänge ansehen", betonte die behindertenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion: "In den Bundesländern, in denen es das Budget für Arbeit bereits länger gibt, ist es nicht zum Massenphänomen geworden."
Bei der Frage der Erfolgsaussichten dürfe man nicht vergessen, dass "die wahrscheinlich größte Rolle neben den Beschäftigten die Arbeitgeber spielen". Sie müssten bereit sein, Menschen mit Behinderungen in ihren Unternehmen zu beschäftigen und dafür auch mal neue Wege zu gehen.
Monika Grünagel ist ihren Weg gegangen, hat die eher fremdbestimmte Werkstatt hinter sich gelassen. Sie lebt nicht mehr im Wohnheim, hat längst ihre eigenen vier Wände: "Es wird hier mehr gefordert als in der Werkstatt, auf jeden Fall. Und man muss selbstständiger arbeiten." Sie stellt klar: "Wer sagt, ich habe gerade keinen Bock, dem würde ich davon abraten."