Vom Salzbergwerk zum Atommüllendlager
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Vor 50 Jahren wurden die ersten Fässer mit radioaktiven Abfällen in die Asse eingelagert
Die Schachtanlage Asse II ist als Atommülllager denkbar ungeeignet, das betont Wolfram König immer wieder. "Wir haben 2009 ein Bergwerk übernommen, in das nie radioaktive Abfälle hätten eingelagert werden dürfen." Was der Präsident der Bundesämter für Strahlenschutz (BfS) und kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) so massiv kritisiert, war bei der Beseitigung radioaktiver Abfälle in der Bundesrepublik lange Zeit gängige Praxis.
Vor 50 Jahren, am 4. April 1967, wurden die ersten 80 Fässer mit Atommüll aus dem Kernforschungszentrum Karlsruhe in dem früheren Salzbergwerk im Kreis Wolfenbüttel versenkt. Zuletzt gelangten dort 1978 strahlende Abfälle unter die Erde. Insgesamt lagern 125.787 Fässer und Gebinde mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen sowie Chemiemüll in den einsturzgefährdeten Kammern.
Um 1900 begann auf dem Asse-Höhenzug nördlich des Harzes der Salzbergbau. Während die Schächte I und III schon früh voll Wasser liefen und aufgegeben werden mussten, förderten Bergleute im Schacht II bis 1964 Steinsalz. Ein Jahr später kaufte der Bund das Bergwerk und ließ es von der Gesellschaft für Strahlenforschung (heute: Helmholtz Zentrum München) zum "Versuchsendlager" für Atommüll herrichten.
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Die Abfälle, darunter rund 100 Tonnen radioaktives Uran, 87 Tonnen strahlendes Thorium, 28 Kilogramm Plutonium und 500 Kilogramm extrem giftiges Arsen, wurden in 13 Kammern gepackt. Teilweise kippten Gabelstapler die Fässer einfach über Abhänge oder quetschten sie in bereits volle Hohlräume. Bis heute halten sich Gerüchte, dass in der Asse auch Kadaver von Affen und anderen Säugetieren vermodern, mit denen in der Vergangenheit radioaktive Versuche gemacht wurden.
Am 29. Juli 1974 zitierte die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" den stellvertretenden Asse-Betriebsleiter mit der Aussage, 1967 seien "als erstes radioaktive Abfälle aus dem letzten Krieg versenkt" worden. Es habe sich dabei um Uranabfälle gehandelt, "die bei der Vorbereitung der deutschen Atombombe anfielen". Die Behörden haben davon aber keine Kenntnis.
Die Einlagerung endet nach der Änderung des Atomgesetzes. Als Voraussetzung für die Endlagerung radioaktiver Abfälle ist nun ein atomrechtliches Planfeststellungsverfahren vorgeschrieben. Es dauert jedoch noch lange, bis Informationen über den Zustand der Asse nach außen dringen: Seit 1988 läuft Wasser in das Bergwerk, täglich rund 12.000 Liter. Die Kammern mit dem Atommüll sind instabil, einige Zwischendecken bereits eingebrochen, sagen Experten. Sie befürchten auch unkontrollierte Grundwassereinbrüche.
2008 beschließen der Bund und das Land Niedersachsen, die Asse künftig wie ein Endlager zu behandeln. Das BfS wird Betreiber und mit der sicheren Schließung der Grube beauftragt. Nach einem Vergleich verschiedener Varianten spricht sich das Amt für die Bergung sämtlicher Abfälle aus. Ein ambitioniertes Unterfangen, ein nukleares Endlager wurde noch nirgends auf der Welt geräumt.
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Doch die angekündigte Rückholung der Fässer droht zu scheitern, bevor sie überhaupt begonnen hat. Denn mit dem Herausholen der Fässer wäre es nicht getan: Ein neuer Schacht muss in den Berg getrieben, ein oberirdisches Zwischenlager gebaut und eine dauerhafte Lagerstätte für den Asse-Müll gefunden werden. Das in Bau befindliche Endlager Schacht Konrad, räumt BfS-Chef König ein, kann die Abfälle ohne ein neues Genehmigungsverfahren nicht aufnehmen.
Umweltschützer vermuten, dass manche Politiker auch lieber keine Bilder von zerfressenen Fässern und einem strahlenden Brei aus Salzlauge und Atommüll wollen. Sie wollen mit einer Kundgebung am Atommülllager Asse an diesem Dienstag (4. April) an den Beginn der Einlagerung der radioaktiven Abfälle in das Bergwerk vor 50 Jahren erinnern. Zeitzeugen wollen dann über die "wechselhafte Geschichte" der Schachtanlage und die Entstehung der örtlichen Protestbewegung berichten.
Ab 2009 beschäftigte sich ein Untersuchungsausschuss des Niedersächsischen Landtags mit der Asse. Viele weitere Pannen und Missstände kamen in den Anhörungen ans Licht. So wurden radioaktiv belastete Laugen ohne Genehmigung in tiefere Bereiche gepumpt, Studien über die Baufälligkeit des Bergwerks zurückgehalten. Der als Zeuge vor den Ausschuss geladene Sigmar Gabriel (SPD) nannte die Asse "einen der größten Problemfälle, die wir in Europa haben". Es sei skandalös, dass die Atomindustrie ein Bergwerk "löcherig wie ein Käse" für eine "Billigentsorgung" genutzt habe.
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