Startseite Archiv Tagesthema vom 10. März 2017

Der Wille zur Versöhnung

Die Darstellung der Archivmeldungen wird kontinuierlich verbessert. Sollten Sie Fehler bemerken, kontaktieren Sie uns gerne über support@systeme-e.de

"Erinnerung heilen": Ökumenischer Gottesdienst zum Reformationsjahr

Für ihren Versöhnungsgottesdienst haben Protestanten und Katholiken eine bildhafte Szene gewählt: Ein 2,40 Meter hohes dreidimensionales Kreuz, das zunächst den Zugang zum Altar versperrt, wird aufgerichtet - und gibt den Weg frei.

Die Darstellung, wie aus einem Sperrsymbol ein Zeichen der Versöhnung wird, illustriert die Botschaft des zentralen Buß- und Versöhnungsgottesdienstes im Festjahr zu 500 Jahren Reformation, der am 11. März in der Michaeliskirche in Hildesheim gefeiert wird: "Erinnerung heilen - Jesus Christus bezeugen". Und das an einem symbolträchtigen Ort: in der zweitältesten Simultankirche Deutschlands, die Protestanten und Katholiken bereits seit 1542 gemeinsam nutzen. 

Dieser Wille zur Versöhnung wäre früher unvorstellbar gewesen. Vor 500 Jahren, am 31. Oktober 1517, hatte Martin Luther (1483-1546) seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht. Mit seiner Kritik löste er die weltweite Reformation aus, die nicht nur zur Spaltung der Kirche führte, sondern auch teils äußert blutige Kriege nach sich zog. Die folgenden Reformationsjubiläen nutzten Protestanten und Katholiken zu gegenseitigen Verurteilungen.

Doch nun wollen sie daran erinnern, was sie sich im Laufe der Jahrhunderte angetan haben, ihre Schuld bekennen, um Vergebung bitten, für die heutige Verbundenheit danken und sich "im Angesicht Gottes auf die weitere Vertiefung unseres Miteinanders verpflichten", heißt es im "Gemeinsamen Wort zum Jahr 2017", das auch die Liturgie des Gottesdienstes in Hildesheim enthält - mit der Aufforderung an katholische und evangelische Nachbargemeinden zum Nachmachen. 

Durchgang von der evangelischen Michaeliskirche zum katholischen Michaeliskloster in Hildesheim. Bild: Jens Schulze/ epd-Bild

Unterschrieben und im September 2016 vorgestellt haben das Papier der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx. "Ein fast revolutionäres Ereignis", nannte Marx das. Sie stellten die ökumenische Verbundenheit heraus, erklärten aber auch, dass "um das rechte Verständnis der Wahrheit des Evangeliums" weiter gerungen werden müsse.

Die beiden obersten deutschen christlichen Repräsentanten aus München, die gut miteinander können, leiten den Buß- und Versöhnungsgottesdienst im Wechsel. Im Sommer 2015 hatten sich Bedford-Strohm und Marx darauf geeinigt, dass sie mit der Bezeichnung "Christusfest" für die Reformationsfeiern an die gemeinsame Wurzel - Jesus Christus als Grund allen Glaubens - erinnern wollen. Es folgten unter der Überschrift "Healing of Memories" (Heilung der Erinnerungen) das "Gemeinsame Wort", eine ökumenische Pilgerreise in Israel und nun der Versöhnungsgottesdienst.

An diesem ökumenischen Schwerpunkt gibt es auch Kritik. So beklagt der Wiener evangelische Theologieprofessor Ulrich Körtner, dem Ökumene-Ziel werde alles andere untergeordnet: "Die theologische Beschäftigung mit dem Erbe der Reformation und ihren bleibenden Impulsen bleibt an der Oberfläche haften", schrieb er auf "evangelisch.de". Dies markiere einen "theologischen Tiefpunkt". Er erinnerte an den EKD-Grundlagentext zum Reformationsjubiläum "Rechtfertigung und Freiheit" von 2014, der von der römisch-katholischen Kirche kritisiert worden war. "Das Projekt 'Healing of Memories' verfolgt offenkundig das Ziel, den ungeliebten Text 'Rechtfertigung und Freiheit' vergessen zu machen", so Körtner.

Die Hildesheimer Michaeliskirche. Bild: Helge Meyn-Hellberg

Doch trotz aller Gemeinsamkeiten wird auch in Hildesheim eine Trennung deutlich werden, die viele Menschen nicht verstehen: Es gibt kein gemeinsames Abendmahl. "Noch immer haben wir keinen Weg gefunden, im eucharistischen Abendmahl unsere Gemeinschaft mit Jesus und untereinander zu feiern", wird Marx laut Liturgie-Text sagen.

In dem Ökumenetext wird das Ziel ausgegeben, "auf dem ökumenischen Weg geduldig und zielstrebig weiterzugehen, damit die Einheit unter uns weiter wächst und Abendmahls- und Eucharistiegemeinschaft möglich wird". Eine schnelle Lösung werde es aber "aller Voraussicht nach nicht geben".

Mit dem Anliegen, das Reformationsjubiläum als ökumenische Chance zu sehen, haben die Deutschen, zumindest was die Lutheraner betrifft, ein internationales Vorbild. Am 31. Oktober 2016 machten der Lutherische Weltbund und Papst Franziskus mit einem gemeinsamen Gottesdienst im schwedischen Lund einen viel beachteten Anfang unter der Überschrift "Vom Konflikt zur Gemeinschaft". Auch davor hatten jahrhundertelange Konflikte, Verurteilungen und einige jahrzehntelange Annäherungsversuche gelegen. 

Wiebke Rannenberg (epd)
Der Hildesheimer Landessuperintendent Eckhard Gorka in der Westkrypta der Hildesheimer Michaeliskirche an der Grabplatte von Bischof Bernward von Hildesheim. Bild: Jens Schulze/ epd-Bild

Healing of Memories

Evangelische und katholische Kirche in Deutschland suchen zum 500. Reformationsjubiläum gemeinsam nach Wegen zur Versöhnung. Für das "Healing of Memories", deutsch: "Heilung der Erinnerungen", gibt es weltweit Vorbilder.

So stand der Versöhnungsprozess nach dem Ende der Apartheid in Südafrika unter der Überschrift "Healing of Memories". Vertreter der Kirchen waren maßgeblich daran beteiligt. 

"Heilung der Erinnerungen" sieht vor, dass die Beteiligten für einen bestimmten Zeitraum Begegnungen vereinbaren, sich ihre Geschichte erzählen und ihre Sicht auf Konflikte schildern. Dabei soll deutlich werden, was man selbst erlitten und was man dem anderen angetan hat.

epd

Simultankirchen

Die Hildesheimer St. Michaeliskirche ist eine von Simultankirchen 64 Simultankirchen in neun Bundesländern. Simultankirchen werden aufgrund eines Beschlusses der Obrigkeit seit Jahrhunderten von mehreren christlichen Konfessionen gemeinsam genutzt. Sie gehen zurück auf die Zeit, als Staat und Kirche noch nicht getrennt waren. Meist teilen sich die Konfessionen einen Raum und feiern zu unterschiedlichen Zeiten Gottesdienst. In anderen Fällen sind Räume innerhalb einer Kirche voneinander abgegrenzt, etwa durch Trennwände. 

epd

Die Gottesdienste

Der Gottesdienst "Erinnerung heilen" beginnt am 11. März um 17 Uhr in der Hildesheimer St. Michaeliskirche. Die Feier wird von 17.00 bis 17.55 Uhr vom "Ersten" live im Fernsehen übertragen.

In der Hildesheimer St. Andreaskirche gibt es ab 17 Uhr die Möglichkeit, den zentralen ökumenischen Buß- und Versöhnungsgottesdienst der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in einer Live-Übertragung mitzufeiern. 

Unter dem Titel "Healing of Memories" laden auch die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und das Bistum Osnabrück an diesem Sonntag um 17 Uhr in die evangelische St. Katharinen Kirche in Osnabrück ein. Der Ratsvorsitzende der Konföderation, Ralf Meister, und der Osnabrücker katholische Bischof Franz-Josef Bode predigen gemeinsam in dem Buß- und Versöhnungsgottesdienst.

Bischöfliche Pressestelle Hildesheim/ epd