In der Küche gibt es keine Sprachbarriere
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Kochprojekt mit einem syrischen Koch in der Osteroder Wartbergschule soll vielfältiges Zusammenleben fördern
„Jetzt gib mir bitte mal das... wie heißt das auf Deutsch?“ „Das Salz?“ „Ja, genau, das Salz. Danke.“
In der Küche der Osteroder Wartbergschule herrscht reger Betrieb. Abdulkader Habboush, seine Frau Durie und die Schüler der Förderschule sowie der benachbarten Grundschule Dreilinden schnippeln Salat, rühren in mehreren Töpfen und kneten den Teig für selbstgemachtes Brot. Jeder hat etwas zu tun, alle arbeiten zusammen und dazu verbreiten sich vielversprechende Gerüche im Raum.
Auch wenn es so aussieht als kochten hier Freunde ganz routiniert gemeinsam, haben die Schüler das syrische Ehepaar erst vor etwa einer Stunde kennengelernt. Grund dafür ist ein Projekt der evangelischen Jugend Harzer Land, das von Marlis Heringhaus und Melanie Honert geleitet wird. Sie luden den vor einem Jahr nach Deutschland geflüchteten Koch ein und sind selbst gespannt, was beim im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben“ geförderten Kochen herauskommt.
Im Augenblick sieht alles gut aus, in einer Pfanne brutzelt der Bulgur vor sich hin, während Abdulkader Habboush daneben den Mozzarella aufschneidet und ein paar Jungs Tomaten abspülen, die Durie Habboush dann mit geübter Hand aufschneidet. Alles geht Hand in Hand und mit einer Leichtigkeit, die allen Spaß macht.
Dabei haben die beiden Gastronomen eben noch von ihrer Heimat Aleppo erzählt, wo sie ein Restaurant betrieben, das wie so viele andere Gebäude der Stadt den Bomben zum Opfer fiel. Zu diesem Zeitpunkt entschlossen sie sich, mit ihren beiden Kindern die Heimat zu verlassen und sich auf den Weg ins sichere Europa zu machen. Von der Türkei aus gelangten sie mit einer Schlepperbande auf ein Boot, das sie nach Griechenland brachte.
„Es war Nacht, alles musste schnell gehen, die Männer brüllten und hatten Waffen“, erzählte Abdulkader Alasfar, der als Übersetzer eingeladen wurde. Meistens reichte aber auch das gebrochene Deutsch, dass die Habboushs sprachen, um ihren jungen Zuhörern einen Eindruck von der Flucht zu vermitteln. Ganz begreifen wird die Ängste, die sie währenddessen ausgestanden haben, wahrscheinlich auch ohne Sprachbarriere niemand, der das nicht selbst miterlebt hat.
Wenn die beiden Flüchtlinge am Herd stehen und ihrer Profession nachgehen, ist ihnen nicht anzumerken, was sie durchgemacht haben. Vielmehr scheint es ihnen gut zu tun, dass sie hier endlich wieder einmal Koch und Köchin sein können und nicht nur Flüchtlinge. Einiges pädagogisches Geschick bringen sie außerdem mit und schaffen es, die Kinder und Jugendlichen zu fesseln und auf das syrische Gericht neugierig zu machen. Vor allem dem Duft der hierzulande weniger gebräuchlichen Gewürze kann sich keiner entziehen.
Gerade im Moment nehmen die beiden Syrer ständig Kontakt mit Freunden und Familie in Aleppo auf, um die neuesten Nachrichten vom Waffenstillstand und vielleicht endlich einer Aussicht auf Frieden zu verfolgen. Auch der erst 19-jährige Dolmetscher Abdulkader Alasfar kommt aus Syrien, allerdings aus einer nicht ganz so gefährlichen Region. „Mein Vater hat dort ein Geschäft, das er nicht aufgeben möchte. Er sagt, er kann doch seine Kunden und alles nicht zurücklassen“, erzählt er. Daher sparte die Familie Geld für ihn, damit er nach Deutschland kommen und hier vielleicht studieren kann.
Die Nachrichten aus der Heimat verfolgt er ebenso wie vermutlich derzeit alle Landsleute mit der großen Hoffnung, dass sich endlich etwas zum Guten wendet. Solange das jedoch ungewiss ist, müssen sie andere Pläne machen, also entweder ein Studium beginnen oder vielleicht in Osterode ein arabisches Restaurant eröffnen, wie Abdulkader Habboush lächelnd vorschlägt. Seine jungen Hilfsköche hat er nach diesem Vormittag jedenfalls schon als Stammkunden gewonnen.
Christian Dolle