Leben zwischen den Gräbern
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Hannoversche Landeskirche bildet Gemeinden im Umweltmanagement für Friedhöfe aus
Wo heute Ebereschen, Flieder, Hainbuchen und Apfelbäume stehen, grenzte bis vor ein paar Jahren eine mächtige Reihe Fichten den Friedhof im niedersächsischen Suderburg bei Uelzen zum benachbarten Feld ab. Günther Schröder zeigt auf die Stümpfe, die davon noch übrig geblieben sind. "Eintönig und nicht gerade typisch für die Region", sagt er. Der 65-Jährige und sein Team von Ehrenamtlichen wollen dafür sorgen, dass zwischen den Gräbern eine Vielfalt vor allem heimischer Pflanzen gedeiht.
Angesichts zunehmender Konkurrenz etwa von Bestattungswäldern gestalten immer mehr Kirchengemeinden und Kommunen in Deutschland ihre Friedhöfe neu. Sie machen Urnenbestattungen unter Bäumen möglich oder pflanzen ganze Streuobstwiesen aus alten und regionalen Sorten an - wie etwa der Kirchenverband in Braunschweig. Die hannoversche Landeskirche gehe aber als erste in Deutschland die ökologische Aufwertung ihrer Friedhöfe systematisch an, sagt Gabi Gust, Umweltreferentin im Haus kirchlicher Dienste in Hannover.
Für ihr Programm "Biodiversität auf kirchlichen Friedhöfen" hat die Landeskirche im Juni eine Auszeichnung als Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt erhalten. Zehn Kirchengemeinden haben bereits ein Seminar im Umweltmanagement absolviert und wollen ihre Gräberfelder artenreicher und zugleich ansprechender machen. Die Suderburger sind die ersten, die für ihr Engagement das neue Zertifikat der Landeskirche erhalten haben.
Viele, viele Stunden haben der frühere Bauingenieur Schröder und seine Mitstreiter in diese Planungen gesteckt. "Und es ist Überraschendes herausgekommen", sagt der 65-Jährige. So haben die motorisierten Gartengeräte wie Rasenmäher und Heckenschere in der Summe mehr CO2 produziert als die Friedhofskapelle mit Heizung und Strom. Weniger Energie zu verbrauchen, gehört folglich zu den Zielen der Gemeinde. "Im Hinterkopf steht der Wunsch nach Einsparungen", erläutert Schröder. Denn der Wandel in der Bestattungskultur setzt die Friedhofsbetreiber unter Kostendruck.
Mittlerweile entscheidet sich nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Bestatter nicht einmal mehr jeder Zweite für eine Erdbestattung. Urnengräber unter Rasen, in Wäldern oder in Grabeskirchen werden beliebter, weil viele Menschen ihren Angehörigen später keine aufwendige Grabpflege zumuten wollen. Auch in Suderburg gibt es ein Urnengrab unter einem mächtigen Ahorn. Zwischen den einst in Reihe liegenden Grabstätten tun sich dagegen Lücken auf. Je kleiner die freie Fläche, desto problematischer wird das für den Friedhofsgärtner.
Aber auch dann lässt sich etwas für die Umwelt machen, sagt Joana Cavaco, die Landschaftsarchitektur studiert hat und für die Landeskirche die Gemeinden berät. So könnten etwa heimische Stauden wie Stockrosen und Schneeheide oder auch Waldmeister als Bodendecker angelegt werden. "Der ist wie ein schönes Kissen", sagt Cavaco.
Sie hilft den Gemeinden mit Karten, Luftbildern, Baumkatastern und vielen Ideen, das Große und Ganze im Blick zu behalten. Bei einer Ruhefrist für die Toten von mindestens 30 Jahren will überlegt sein, wo künftig Gräber angelegt werden und wo vielleicht eine Wiese mit Wildblumen, die Schmetterlinge lockt. Die gewachsenen Traditionen seien ihr dabei wichtig, sagt Cavaco. Dennoch müsse ein Friedhof kein Feld von Rechtecken bleiben. "Ich hätte gern, dass es ein Garten mit einer besonderen Funktion ist", erläutert sie. "Dann ist es auch ein würdiger Ort."
Karen Miether (epd)