Der wahre Luxus
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Immer mehr Menschen verschenken zu Weihnachten Zeit
Vor 20 Jahren waren sie noch der Zeit voraus, heute liegen sie voll im Trend: Sigrid und Peter König aus Bremen wünschen sich zu Weihnachten untereinander und von ihren Kindern schon seit längerem keine Dinge mehr, sondern Zeit. Gemeinsame Zeit.
Waldspaziergänge, miteinander Kochen, beim Kaffee reden - "das muss keine große Aktion sein", meint Sigrid König. Und ihr Mann Peter betont: "Die Grundausstattung zum Leben haben wir - Beziehung brauchen wir immer."
"Zeit ist ein knappes Gut", bestätigt die Bremer Freizeitwissenschaftlerin Renate Freericks. "Füreinander Zeit zu haben - das gehört zu den Wünschen, die am häufigsten geäußert werden." Wohl auch deshalb räumt der Einzelhandel dem Thema in diesem Jahr so viel Raum ein wie noch nie. Edeka hat seine Vorweihnachtswerbung im Netz unter das Motto "#Zeitschenken" gestellt. Otto wirbt mit dem Hashtag "ZeitGeschenk", das Gutschein-Portal "mydays" mit dem Slogan "Schenke Gemeinsamzeit."
Selbst das Umweltbundesamt erinnert zu Weihnachten daran, dass gemeinsame Erlebnisse immer Freude machten und im Alltagsstress oft rar seien. Dabei hat die Behörde den Klimawandel im Blick. Denn wer weniger Zeug verschenkt, senkt den Energieverbrauch und damit den Ausstoß an klimaschädlichem CO2. Das gilt natürlich nur, wenn das stattdessen verschenkte gemeinsame Erlebnis kein Wochenendtrip mit dem Flugzeug ist.
Weniger ist mehr - das gilt für Sigrid König auch, was die Advents-Hektik auf der Suche nach passenden Geschenken angeht. "Der Druck ist weg", berichtet sie und ist überzeugt, dass Zeitgeschenke gut zu Weihnachten passen. "Dann steht das Materielle nicht im Vordergrund, sondern das Fest mit Begegnung und Beziehung."
Aber Vorsicht: Manches Zeitgeschenk könnte den alltäglichen Stress eher steigern. "Beispielsweise beim Konzertgutschein, für den dann ja ein Termin gefunden werden muss", warnt Freizeitpädagogin Freericks. "Es gibt nämlich Leute, für die ist jeder weitere Termin eine Last."
Auch wenn Portale wie "mydays" Geschenk-Events wie einen Fallschirmsprung, ein Candle-Light-Dinner oder eine Städtereise komfortabel gegen Geld anbieten, rät die Wissenschaftlerin, genau zu überlegen, was zu wem passt. "Vielleicht ist es besser, Zeit zu verschenken, um den anderen zu entlasten: Ich bügle für dich, ich flicke dein Rad, ich mähe deinen Rasen oder ich koche für dich." Zeitgeschenke mit Alltagsnutzen seien ein echter Gewinn. "Jemand kommt und nimmt mir etwas ab - besser geht's doch nicht."
Eine einfache Möglichkeit, Zeit miteinander zu verbringen, ist das Vorlesen, das besonders zu Weihnachten beliebt ist. Zu Recht, findet der Bremer Bestsellerautor David Safier ("Jesus liebt mich"). "Gerade Vorlesen bereitet gegenseitige Freude. Nicht nur, wenn man mit Kindern gemeinsam vor dem Einschlafen daliegt. Bei meinen Lesungen begegnen mir sehr viele Paare, die sich Bücher gegenseitig im Bett vorlesen."
Nach Einschätzung von Freizeitwissenschaftlerin Freericks kommt es gar nicht so sehr darauf an, was man tut, wenn man Zeit verschenkt. "Es muss nicht perfekt sein, Perfektionismus ist ein echter Zeitfresser. Hauptsache zusammen." Beispielsweise gemeinsam seinen Gedanken nachhängen, die Zeit verstreichen lassen. "Das haben viele Menschen verlernt. Dabei tut das so gut: Nicht von einem Erlebnis zum nächsten hetzen, sondern füreinander da sein. Innehalten."
Dieter Sell (epd)