Startseite Archiv Tagesthema vom 06. Dezember 2016

"Straßenarbeiter Gottes"

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Die Sehnsucht nach Engeln hat Konjunktur - besonders zu Weihnachten

Der kleine Bronzeengel in der Vitrine des kirchlichen Informationszentrums neben dem Bremer Dom ist ein echter Kassenschlager. Besonders jetzt in der Adventszeit kommen immer wieder Kunden in den Laden und fragen nach dem Handschmeichler des ökumenischen Vereins "Andere Zeiten". "Er wird oft für einen Krankenhausbesuch gekauft", erzählt der Leiter des Zentrums, Pastor Hans-Jürgen Jung. "Und gerne für Täuflinge und Konfirmanden."

Auch wenn viele Käufer darauf hoffen: Der Engel mit seinen segnenden Händen kann selbst nichts bewirken, wie Theologe Jung sagt: "Aber er erinnert an die tröstende Zusage Gottes aus dem Psalm 91, gerade jetzt in den langen Winternächten: Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt."

Besonders zu Weihnachten haben Engeldarstellungen Hochkonjunktur: Sie erinnern an die "himmlischen Heerscharen", die in der Weihnachtsgeschichte über die Geburt Jesu jubilieren.

In Bremen führt Engelexperte Ottmar Hinz vom Evangelischen Bildungswerk regelmäßig durch die Innenstadt, um staunenden Gruppen vom Engel-Reichtum der ansonsten eher spröden Hanseaten zu erzählen. Im Straßenbild sind sie allgegenwärtig: Mal als ehrfurchtgebietende Sendboten oder süße Flügelgeister, als selige Musikanten oder gerüstete Heerscharen Gottes, mal männlich, mal weiblich, mal kindlich. Sogar auf der Gürtelschnalle des steinernen Roland neben dem historischen Rathaus findet sich ein lautespielender Engel.

"Viele Menschen, die mich dabei begleiten, haben das Gefühl, dass es zwischen Himmel und Erde mehr gibt als das, was wir sehen", sagt Hinz. Einer Umfrage aus dem Jahr 2005 zufolge glauben 66 Prozent der Deutschen an Schutzengel, jedoch nur 64 Prozent an Gott.

Je weiter Gott in die Ferne rückt, desto näher scheinen die Engel. "Vor allem der esoterische Engelglaube ist eine Herausforderung für die Kirchen", sagt die sächsische Pastorin Claudia Knepper. Sie hat für die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin Informationen über Engel zusammengetragen und ist überzeugt: "Im Glauben an Engel kommt eine Sehnsucht nach Geborgenheit, nach bedingungsloser Liebe und Annahme, Heilung und Sinnstiftung zum Ausdruck."

Wissenschaftler der Universität Köln haben in einer Studie herausgefunden: Wer an Engel glaubt, dem helfen sie tatsächlich. "Sie stärken in erster Linie die Zuversicht in die eigene Leistung, aber auch die Überzeugung, dass schon alles gutgehen wird", sagt die Sozialpsychologin Lysann Damisch.

Der Theologe, Kulturwissenschaftler und Engelforscher Uwe Wolff aus dem südniedersächsischen Bad Salzdetfurth nennt Engel "Straßenarbeiter Gottes", die nah bei den Menschen sind. Engel, sagt der 61-Jährige, vermittelten als Boten Gottes zwischen Himmel und Erde. "Gerade in unserer Zeit sind sie gefragte Ansprechpartner, weil sie in allen monotheistischen Religionen vorkommen und deshalb zwischen den Kulturen vermitteln können."

Seit fast 30 Jahren beschäftigt er sich mit dem Glauben an die körperlosen Wesen und hat dabei erfahren: "Vielen Menschen geht es darum, mit den Engeln Gott nah zu sein." Engel seien Bilder für Gottes Wirken und Gegenwart. "Beispielsweise, wenn jemand nach dem Besuch im Krankenhaus geht und eine kleine Engelsfigur auf den Tisch legt mit den Worten: Der bleibt bei Ihnen."

Wer an Engel glaubt, kennt Erschütterungen, meint Wolff. Der Glaube an Engel sei gleichzusetzen mit dem Glauben an die Kraft des Guten. Davon war schon der Reformator Martin Luther (1483-1546) vor 500 Jahren überzeugt, als er schrieb: "Wenn uns Gott nicht die lieben heiligen Engel zu Hütern gegeben hätte, welche wie eine Wagenburg um uns lagern, so wäre es bald mit uns aus."

Doch längst werden mit Engeln auch Geschäfte gemacht. Bücher, Beratungen, Seminare, "Engelessenzen" für die Haut, Engelkarten für die Selbsterkenntnis, Engelmessen und -kongresse: Der Markt ist riesig. Dazu gehören Menschen, die sich dafür bezahlen lassen, dass sie vorgeblich "mit Engeln sprechen" und Botschaften übermitteln. "Esoterischer Humbug, um den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen", ätzt Wolff und betont: "Engel sind immer umsonst. Und sie brauchen auch kein Medium, sie sind selber eins."

Wer aufpasst, kann ihnen im Alltag begegnen, meint Ottmar Hinz, dessen einstündige Engel-Spaziergänge "zwischen Himmel und Erde" durch die Bremer City stets ausgebucht sind. "Das müssen nicht immer Männer mit Flügeln sein", sagt er mit einem Schmunzeln. Und Engelforscher Wolff ergänzt: "Gott kommt nicht mit Rauch und Donner. Seine Engel zeigen sich auch in stillen Glücksmomenten, beim Singen, im Blick des Enkels."

Dieter Sell (epd)

Nikolaus

Der heilige Nikolaus ist seit Jahrhunderten einer der beliebtesten christlichen Volksheiligen. Er wird wegen seines vorbildlichen Lebens und seiner Wohltätigkeit verehrt.

Im dritten und vierten Jahrhundert hat es tatsächlich einen Bischof Nikolaus in Myra gegeben, an der Mittelmeerküste der heutigen Türkei. Er soll an einem 6. Dezember gestorben sein, vermutlich im Jahr 343. Außerdem lebte im sechsten Jahrhundert Abt Nikolaus von Sion im kleinasiatischen Lykien. Beide Lebensgeschichten sind wohl miteinander verschmolzen.

Zahlreiche Legenden ranken sich um den Nikolaus. Man erzählte sich, mit dem großen Vermögen, das ihm seine Eltern hinterlassen hätten, habe er Bedürftige unterstützt und Mädchen vor der Prostitution bewahrt.

Nikolaus soll außerdem unschuldig Verurteilte gerettet und eine Hungersnot abgewendet haben. Ein Traum habe die Bischöfe der Provinz bewogen, den angesehenen und beliebten Nikolaus zum Oberhirten der Provinzhauptstadt Myra zu wählen.

Das lässt sich nicht beweisen, es ist aber wahrscheinlich, sagen Historiker. Der Kult um Nikolaus von Myra verbreitete sich spätestens ab dem sechsten Jahrhundert sehr schnell in der ganzen Christenheit. In der Ostkirche hieß er "Retter der Welt" oder "Engel auf Erden".

Um 1500 zählen die Historiker bereits mehr als 2.000 Nikolauskirchen, -Kapellen, -Hospitäler und -Klöster in Europa. Im Mittelalter wurde St. Nikolaus zum Nothelfer für Schüler, Liebende und Heiratswillige. Seefahrern galt er als Patron und Helfer bei Gefahren. Die Russen betrachten ihn als Schutzheiligen.

Aus den Legenden schälte sich das Bild eines ungewöhnlich menschenfreundlichen Kirchenmannes heraus, volksnah und voller Güte, Mut und Zivilcourage. Bildungswerke und Kirchengemeinden rücken darum auch heute den Nikolaus als Symbol für die Güte Gottes in den Vordergrund.

Mit strengen Schreckgestalten wie Knecht Ruprecht, die den Nikolaus traditionell begleiteten, hat das natürlich nichts zu tun: Der moderne Nikolaus ist ein Freund der Kinder.

epd