Erinnerungen
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Andacht zum Zweiten Advent
Lange war sie nicht mehr im Theater gewesen. Doch heute Abend rang sie sich durch: Eigentlich wollte sie den Saal nicht mehr betreten, in dem so viele gute Erinnerungen hingen. Was hatten sie hier gelacht, und wie hatten sie manchmal geweint vor Freude, vor Rührung.
Sie, das waren ihre drei Freundinnen und sie selbst, ein eingeschworenes Team. Carla lebte nun im Pflegeheim, Marianne war weggezogen, und Ute war einer schweren Erkrankung erlegen. Deswegen war sie so lange nicht mehr hingegangen an diesen Ort, der noch so viel in ihr auslöste. Doch heute Abend sollte das Leben Martin Luthers gezeigt werden. Das interessierte sie.
Als der Vorhang aufging, hatte sie ihre Zweifel schon vergessen. Das gute Gefühl, an diesem vertrauten Ort zu sein, gab ihr Sicherheit. Und sofort fesselte sie der junge Luther auf der Bühne. Ganz vertiefte sie sich in seine Geschichte: Das Gelöbnis, Mönch werden zu wollen, dann die Prozesse und schließlich das Bekenntnis „Widerrufen kann ich nicht!“.
Dann Zeit auf der Wartburg mit der Bibelübersetzung, und dann die große Enttäuschung: Die Bauern missverstehen mich! Aufstände im Volk, die er nie gemeint, hatte und zudem Theologenkollegen, die alles nur noch schlimmer machten!
Ein Graus, und Luther dachte: „Das war es mit der Welt! Wer rettet uns nun noch? Gott allein kann es.“ Und so erwartete er täglich den Weltuntergang, das Gericht und die Wiederkunft Christi. Himmel und Erde werden vergehen...
Aber: „Wenn morgen die Welt unterginge, so würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen!“ rief der junge Schauspieler dem Publikum entgegen. Schon griff er beherzt zum Spaten. „Was tust Du da?“ fragte sein Nachbar auf der Bühne verwundert. „Du pflanzt einen Baum, obwohl hier gerade Krieg und Chaos herrscht?“ „Der Tod wird nicht das letzte Wort haben!“ antwortete Luther.
Als der Vorhang fiel, hallten diese Worte in ihr nach. „Der Tod wird nicht das letzte Wort haben.“ Wenn sie ehrlich war: Das war es doch, warum sie nicht mehr ins Theater gegangen war. Vergangen waren die guten Zeiten zu viert, das gemeinsame Lachen und Weinen.
Vergangen war sogar schon das Leben einer Freundin, und sie wollte ihr gemeinsames Bild nicht verfälschen, nicht noch einmal hingehen und sehen, dass es anders geworden war. Vertrautheit, dachte sie, das ginge doch nur zu viert, und alles andere wäre Enttäuschung.
Doch der Vorhang war noch nicht gefallen! An diesem Abend blieb sie noch lange in der kleinen Kneipe neben dem Theater. Lächelnd blickte sie zurück, sah die drei vor sich und spürte sie noch immer, diese Vertrautheit, all das Gute dieses Ortes.
Auf dem Heimweg fragte sie sich, wie oft wohl schon Menschen die Erfahrung gemacht hätten, dass Himmel und Erde, das Äußere, vergeht, das Eigentlich jedoch bleibt.
Pastor Theodor Adam/ Die Andacht wurde unter Mitwirkung der FSJ-lerin Mara Jacobsen verfasst.