Sehet, die erste Kerze brennt
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Andacht zum Ersten Advent
Geschafft. Sie legt die Streichhölzer unter die Serviette und setzt sich hin. Atmet tief durch. Wie gut, dass sie „Advent“ immer noch riechen kann: Kerze, gemischt mit Tannennadel und Heizungsluft. So duftet Zuhause. In Ihrer Erinnerung. Und jetzt. Es fühlt sich richtig an, dass sie es noch einmal geschafft hat: In der eigenen Wohnung zu bleiben, den Kranz zu binden, die Kerzen aufzustecken, den Engel wiederzufinden.
Sie lehnt sich im Sessel zurück. Lange wird es nicht mehr so gehen. Die Wohnung ist zu groß, die Wege sind zu weit und die Knochen zu müde geworden. Die Kinder machen sich Sorgen: Wer findet Dich, wenn Du fällst? Du bist einfach nicht mehr sicher auf den Beinen. Wir wohnen zu weit weg. Wer schaut nach Dir? Bis jetzt ist sie gut allein zurecht gekommen. Heute fühlt sie sich sogar prächtig.
Sie denkt zurück an andere Advente, als die Kinder klein waren, es nicht erwarten konnten, dass endlich Weihnachten wird. Turbulent und laut war es, das Haus voller Leben und sie rund um die Uhr beschäftigt. Die Erinnerungen füllen die Stunden im Sessel. Sie hatte ein gutes Leben. Meistens jedenfalls.
Jetzt wird sich einiges ändern. Ändern müssen. Sie hat Angst. Kuschelt sich tiefer in den Sessel. Und saugt bewusst noch einmal den vertrauten Geruch ein. Was erwartet sie eigentlich? Was soll kommen? Sie will nicht siechen. Aber leben schon. Es könnte doch auch gut sein, noch einmal neu zu beginnen. Umzuziehen. Wegzugehen. Offen für das, was kommt. Nicht einfach bloß hier hocken bleiben und das Ende abzuwarten, weil es unausweichlich ist.
Wie wäre es, sich auf das Kommende zu freuen? Mancher Erfahrung und aller Ängstlichkeit zum Trotz. Wie wäre es, einfach zu erwarten, dass die Zukunft hell sein wird für sie, strahlend wie ein Licht in der Dunkelheit? Was hält sie davon ab zu erwarten, dass ihr „woanders“ freundliche Menschen begegnen, dass es dort auch Kerzen und Adventskränze geben wird. Und einen Sessel zum Reinkuscheln.
Auch die Zukunft kennt Zuhausesein. Nicht bloß die Vergangenheit. Eigentlich will sie noch mehr erwarten. Dass Friede wächst, wirklich wächst und gedeiht auf Erden. Auch wenn es schwer zu glauben ist. Dass die Orte mehr werden, an denen sie und andere sicher wohnen können. Und dass sich immer jemand findet, die oder der aufpasst. Hilft. Heute wagt sie es, sich Zukunft zu erträumen. Morgen wird sie im Garten einen Kirschzweig abbrechen. Ihn in die Vase stellen. Oft hat es nicht geklappt, dass er an Weihnachten blüht, wie die Legende sagt. Aber in diesem Jahr ist sie sicher: Er wird blühen.
Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will. Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird. Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden und Israel sicher wohnen. Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: Der Herr ist unsere Gerechtigkeit. (Aus Jeremia 23, 5-8)