Hinter dem Horizont
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Ewigkeitssonntag am 20. November
Vor einem Bankautomaten liegt ein älterer Herr. Er ist zusammengebrochen und völlig hilflos. Ein Kunde betritt den Bankraum, geht aber vorbei, hebt Geld ab und verlässt die Bank. Drei weitere Kunden steigen über den Mann hinüber, wickeln ihre Finanzgeschäfte ab – und gehen wieder. Erst der Fünfte ruft Hilfe. Zu spät: Der Mann stirbt. Dies geschah wirklich, mitten in Deutschland und vor gar nicht langer Zeit. Es geht nicht allein um unterlassene Hilfeleistung. Die einfachsten Gesten der Mitmenschlichkeit bleiben auf der Strecke. Keine Spur von Mitmenschlichkeit, stattdessen Zeichen einer großen Hilflosigkeit angesichts von Krankheit und Tod: Wegschauen, allein lassen, verdrängen.
Anders ist es in diesen Tagen. Wir geben dem Tod ganz bewusst Raum. Wir besuchen die Gräber unserer Verstorbenen. Wir denken an dunkle Stunden und erinnern uns. Vielleicht spüren wir auch: Jeder Tod ist anders. Für die eine war er eine Erlösung und so natürlich wie ein Gang über den Hof. Für einen anderen ein Drama und ein plötzlicher Sturz ins Bodenlose.
Was ist der Tod? Der größte Feind, schreibt Paulus einmal. Und widerspricht sich an anderer Stelle selbst, wenn er schreibt: „Ein Siegeslauf!“ Wir können den heutigen Tag drehen und wenden wie eine Münze in der Hand. Auf der einen Seite steht „Tod“, auf der anderen „Ewigkeit“. Darum hat dieser Sonntag zwei Namen: „Totensonntag“ nennen ihn die einen, andere sagen: „Ewigkeitssonntag“. Wer „Ewigkeit“ sagt, hält fest, dass es da „hinter dem Horizont“ noch weitergeht...
Das biblische Buch der Offenbarung wagt einen Blick hinter diesen Horizont. Wie aus der Ferne erklingt ein vielstimmiges Lied der Hoffnung: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein. Noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein.“ Ursprünglich waren diese Verse ein Hoffnungslied für die bedrohten Christen im römischen Weltreich. Der Seher Johannes schiebt die Kulissen des römischen Kaisers beiseite und spielt ein himmlisches Lied auf.
Wenn uns heute Leid lähmt oder Not die Sprache verschlägt, dürfen wir jener Melodie lauschen, auch wenn sie noch hinter verschlossenen Türen spielt. Noch erklingt das große Lied Gottes nicht, aber wir dürfen auf unsere Weise einstimmen. Die Northeimer Lyrikerin Annemarie Schnitt tut es mit diesen Worten:
Ich glaube an eine Bleibe hinter dem Horizont
wohin kein Weh mich verfolgt
wo keine Sorge mich lähmt
wo keine Trauer mich drückt
Ich glaube an eine Bleibe für mich
unter einem anderen Himmel
befreit von Erdenschwere
auferstanden aus Asche
Ich glaube an Siege über den Tod
ich glaube solange ich glauben kann
an etwas ganz Neues das noch kein Auge gesehen
kein Ohr erhorcht
keine Stimme besungen hat
Ich glaube über das Leben hinaus ans Leben
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