Startseite Archiv Tagesthema vom 28. Oktober 2016

Bunt muss man wollen

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Wenn Christen anderer Sprache und Herkunft gemeinschaftlich aktiv werden

Pastor Babak Keshtkaran, Jugendpastor in der Christengemeinde Elim in Hamburg, berichtet von seinen persönlichen Erfahrungen als Deutsch-Iraner und von seiner sich internationalisierenden Großstadtgemeinde. Keshtkaran war vor 30 Jahren als kleiner Junge mit seinen Eltern nach Deutschland geflohen. Die Suche nach der eigenen Identität ist ein Prozess, der für ihn noch lange nicht abgeschlossen ist: „Die Generation meiner Eltern sieht mich als Deutschen, die Deutschen sehen mich als Iraner. Wo gehöre ich hin?“ Die 1926 gegründete Elim-Gemeinde zieht seit einigen Jahren Menschen aus vielen Nationen an, und viele Menschen bewegen dort dieselben Fragen wie den Jugendpastor.

Die Veränderungen in seiner eigenen Gemeinde schätzte Babak Keshtkaran so ein: „Eine Kirche kann nicht von alleine bunt werden. ,Bunt‘ muss man wollen und aktiv gestalten! Unseren Musikstil haben wir bewusst verändert. Wir übersetzen den Gottesdienst simultan in verschiedene Sprachen. Wir haben ein buntes Pastoren- und Mitarbeitendenteam. Wir glauben nicht an eine Nationalkirche. Identitäten gehen bei uns trotzdem nicht verloren. Wir empfinden Vielfalt als Bereicherung. Hier sehen wir den Auftrag unserer Elim-Gemeinde. So wollen wir in Hamburg Kirche sein. Hierin steckt unsere missionarische Kraft!“

Keshtkaran verschwieg nicht die Herausforderungen, vor denen auch seine Gemeinde steht: „Jede Veränderung bedeutet Angst: Die Angst, etwas zu verlieren, oder etwas zu bekommen, was man gar nicht haben möchte.“ Er berichtete davon, wie schwer es oft älteren Menschen fällt, in Deutschland heimisch zu werden. Und er erzählte davon, wie schwer es auch Jugendlichen fallen kann, sich auf die Vielfalt der Kulturen in der Elim-Gemeinde einzulassen. „Wie können wir es praktisch schaffen, dass wir als Gemeindeleiter oder als Mitglieder die Angst vor anderen Kulturen abbauen und das Verbindende suchen?“

In kleinen Gesprächsrunden und mit praktischen Aufgabenstellungen leitete Babak Keshtkaran die Teilnehmenden des Studientages dazu an, bewusst eine wertschätzende Perspektive einzuüben. Keshtkaran betonte, dass wir als Christen nicht unsere kulturelle Identität ablegen müssen, dass der Glaube aber Menschen und ihre kulturelle Prägung transformieren kann.

Es wurde ausführlich diskutiert, was es denn eigentlich heißt, „Bunte Kirche“ zu sein: Werden Kulturen und Sprachen nebeneinander gestellt? Oder ist es das Ziel, eine einheitliche Kultur in der Gemeinde zu entwickeln? Werden die kulturellen Eigenarten vermischt und abgeschwächt, oder werden sie verstärkt? Keshtkaran verwendete das Bild eines Farbkastens. „Viele Farben sind in einem Tuschkasten zu finden. Ist der Tuschkasten bunt? Nun, jede Farbe bleibt für sich. Der Farbkasten hat jedoch das Potential, bunt zu sein! Ein buntes Bild kann entstehen: Mit kräftigen Farbakzenten – und mit Farbmischungen!“
 
Vikar Raphael Below, Mitarbeiter im Projektbüro des ökumenischen Projekts „Kirche²“ in Hannover, führte am Nachmittag in Grundgedanken der Bewegung „Fresh expressions“ ein, die eine Vielfalt von neuen Gemeinschaftsformen neben und in den parochial organisierten landeskirchlichen Gemeindestrukturen propagiert. Below betonte, dass es in der Zukunft nicht mehr ein einziges Kirchenmodell geben werde, das wie eine Schablone auf jeden Kontext anwendbar sei. Vielmehr müsse sich die Gestalt der Kirche an ihrem ganz konkret vor Ort zu ermittelnden Auftrag orientieren. Das bedeute es, „missionarisch“ zu sein.

Woldemar Flake

Die Herausforderungen für Migrationsgemeinden lauten: Wie stellen wir uns auf die jüngere Generation ein? Wollen wir uns stärker für Deutsche öffnen? Das kann heißen, dass manche Gemeinden bewusst weiterhin ihre Aufgabe darin sehen werden, als Auslandsgemeinden ihrer eigenen Sprachgruppe eine kulturelle und geistliche Heimat zu bieten: Auch dann, wenn diese Gruppe von Menschen kleiner und älter wird.

Andere Migrationsgemeinden werden mit dem Heranwachsen einer zweiten und dritten Generation verstärkt die deutsche Sprache verwenden und wieder andere werden sich möglicherweise ganz bewusst eng mit einheimischen Kirchengemeinden verbinden: Auch hier also ein buntes Bild einer sich wandelnden Kirchenlandschaft.

In Gesprächsrunden wurde das Thema vertieft. Bild: Woldemar Flake

Hintergrund

Dieser Studientag wurde durch die „Internationale Konferenz christlicher Gemeinden“ (IKCG) in Kooperation mit dem Haus kirchlicher Dienste und dem ökumenischen Projekt Kirche² veranstaltet. Die Studientage Interkulturell dienen dem Austausch und der vertieften Zusammenarbeit von einheimischen Christen und Christen aus Gemeinden anderer Sprache und Herkunft.