Wohltuend
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22. Sonntag nach Trinitatis
Paulus schreibt an Christen, deren Gemeindegründung er aktiv gefördert hat. Nicht nur die Purpur-Händlerin Lydia, sondern viele andere sind anscheinend gut versorgt, gehören dem Mittelstand an. Sie sind in der Lage, Kollekten für andere zu sammeln. Auch Paulus, der jetzt im Gefängnis festgehalten wird und kein Geld verdienen kann, erhält eine großzügige Spende. Normalerweise lehnt er es ab, sich etwas schenken zu lassen.
Diese wohlmeinenden und wohltuenden Christen sind für Paulus offensichtlich eine große Freude. Überschwänglich dankt er Gott, dass er die Gemeinde in Philippi nicht nur finanziell reich beschenkt.
Die Lage ist in deutschen Gemeinden gar nicht unähnlich: Die Bereitschaft zu Spenden ist weiterhin hoch, viele Ehrenamtliche wirken mit in diakonischen und nachbarschaftlichen Projekten. Aktionen für Flüchtlinge und mit ihnen werden an vielen Orten ins Leben gerufen, es entstehen Freundschaften und Partnerschaften. „Gott sei Dank!“ dürfen auch wir sagen, dass allem Widerspruch und allen Ängsten zum Trotz soviel Zuversicht und Gottvertrauen die Oberhand behalten. Welch ein Glück, dass viele Christen ihre Fürsorge nicht nur den eigenen Glaubensgenossen zukommen lassen, sondern allen, die Hilfe nötig haben.
Christenglaube ist seit jenem Auftrag Christi grenzüberschreitend: „Geht hin in alle Welt...“ Das gilt inzwischen auch umgekehrt: Wer zu uns kommt, woher auch immer, und Hilfe sucht, dem gehört unsere Aufmerksamkeit.
Paulus sieht in allen Wohltaten ein Werk der Liebe, die von Gott her kommt und uns geschenkt wird. Viele engagierte Christen gehören – den Philippern ähnlich – auch der gut situierten Mittelschicht an. Sie brauchen sich im Allgemeinen wenig Sorge zu machen und können abgeben. Für weniger Betuchte gibt es Diakoniekassen, kostenlose Beratung, Zuschüsse für Kinder- und Jugendfreizeiten. „Gott sei Dank!“, dass wir für viele in Not Geratene Hilfsmöglichkeiten anbieten können. Möglichst keiner soll zurückgelassen werden, möglichst jeder soll seinen (Lebens-)Weg unbekümmert gehen. Trotz aller Liebe und aller Zuwendung werden jedoch Lücken bleiben.
Darum bedarf es der Bitte, „dass eure Liebe immer noch reicher werde“. Und damit verbunden ist die Prüfung, „worauf es ankommt“, also eine Art Prioritätensetzung. Was hat Vorrang, was bringt Hilfe, was tut gut? Wer sich völlig verausgabt, kann anderen nicht mehr helfen. Wer seine Kräfte falsch einschätzt, steht möglicherweise bald ohnmächtig da. Paulus schreibt im 1. Korintherbrief: „Dafür halte uns jedermann: für Christi Diener und Haushalter über Gottes Geheimnisse.“ Unser Reden und Tun ist also zuerst ein Gottesdienst.
Paulus hofft wohl auf eine baldige Wiederkehr Christi. Das macht den Gottes- und Nächstendienst dringlich. Wir dagegen dürften uns eher darauf einstellen, dass unser Sterben einst die Tür zur Ewigkeit ist. Dies kann jederzeit geschehen. Also sind auch wir bereits heute und morgen Gott verantwortlich. Zugleich in der Gewissheit, dass Gott alles zu einem guten Ende bringt.
Pastor i.R. Udo WoltenUdo Wolten. Bild: privat