"Es geht um Wertschätzung"
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Landwirtschaftsminister Christian Meyer über das Erntedankfest
epd: Herr Minister, Erntedank ist ein Jahrhunderte altes Fest. Was kann dieses Fest heute im Zeitalter der industriellen Landwirtschaft bedeuten?
Meyer: Es macht nochmal klar: Hier geht es um unsere Lebensgrundlagen. Es geht um den Umgang mit der Erde, mit Pflanzen und Tieren. Das ist nicht irgendeine übliche Handelsware, ein I-Pad oder ein Kühlschrank. Sondern das sind Lebewesen, mit denen wir umgehen, und somit das sicherstellen, was wir wirklich brauchen: gesunde, nachhaltig erzeugte Produkte, um uns zu ernähren.
epd: Nun sind ja viele Lebensmittel heute mit Chemikalien belastet, und vorher hat der Landwirt schon jede Menge Pestizide draufgespritzt. Können Sie da wirklich noch aus vollem Herzen Danke sagen?
Meyer: Viele Menschen machen sich natürlich Sorgen über die Auswüchse der industrialisierten Landwirtschaft. Da liegt aber auch eine Chance drin, dass wir nämlich wieder mehr Verbindung mit der Landwirtschaft suchen und den Landwirten sagen, wie wir Lebensmittel produziert haben möchten. Wie wir uns ernähren, ist auch eine Haltungsfrage und eine politische Frage. Es beeinflusst, wie unser Lebensumfeld aussieht. Will ich dort Mais-Monokulturen haben? Oder will ich dort eine Vielfalt haben, wo auch noch die Biene Platz findet? Will ich weiter bäuerliche Familienbetriebe haben oder riesige anonyme Agrarkonzerne?
epd: Was macht Ihnen persönlich im Blick auf unsere Lebensmittelproduktion am meisten Bauchschmerzen?
Meyer: Dass das Höfesterben nicht nur weitergeht, sondern sich beschleunigt. Viele Bauern können bei den derzeitigen Preisen von ihrem Ertrag nicht leben. Große Agrarstrukturen entstehen, die von der Bevölkerung nicht mehr akzeptiert werden.
epd: Was kann der Konsument tun?
Meyer: Vielleicht mal den Landwirten danken, wenn er zum Beispiel auf dem Wochenmarkt einkauft. Wenn er sich gefreut hat über eine gute Kartoffel, über ein gutes Stück Fleisch. Und dann diese Wertschätzung in klingender Münze auszahlen. Tierschutz hat seinen Preis. Den müssen wir als Verbraucher zahlen. Der Konsument sollte darauf achten, dass er möglichst regional kauft. Damit das Geld bei den Landwirten auch ankommt. Also direkt im Hofladen, an einer Milchtankstelle, bei einem Direkt-Vermarkter von Spargel und Erdbeeren. Natürlich freut es mich, wenn der Konsument stärker auf Ökologie und Tierschutz setzt. Auch das hat einen höheren Preis. Ein Öko-Produkt ist mehr wert, weil ein Öko-Landwirt einen höheren Aufwand hat.
epd: Aber es sind ja Millionen von Menschen zu versorgen mit Lebensmitteln. Muss man nicht realistischer weise sagen, dass ökologisch erzeugte Produkte die Sache einer wohlhabenden Minderheit sind und für die Mehrheit eben eine Massenproduktion gebraucht wird?
Meyer: Nein. Nur eine Landwirtschaft, die nachhaltig ist, hat Zukunft. Solange in Deutschland und weltweit immer noch bis zu 50 Prozent der Lebensmittel weggeworfen werden, die Produkte auf dem Acker liegenbleiben, weil die Gurke zu krumm ist oder die Kartoffel nicht in die Norm passt, und wir als Verbraucher, verführt vom Handel, viel zu viel einkaufen, solange kann mir keiner erzählen, dass wir nicht bewusster einkaufen und mehr Geld für Lebensmittel ausgeben können. Das hat etwas mit Wertschätzung zu tun.
Es kann ja nicht sein, dass ich Produkte bekomme aus Massenproduktion mit Antibiotika-Belastung oder mit viel Pestizid-Einsatz, nur damit sie billig sind. Diese Logik hat mit Würde, Ethik und Moral wenig zu tun. Wir brauchen einen Mentalitätswechsel: Weg von billig-billig und Masse, hin zu mehr wirklicher Qualität. Wenn man eine Familie am Sonntag zum Sonntagsbraten einlädt, sollte man nicht sagen: Ich hab hier ein Schnäppchen gemacht und ganz billig eingekauft, sondern: Ich hab hier ein regionales Fleisch vom Bauern nebenan gekauft, das ist richtig was wert! In Frankreich wird so gedacht. Und das können wir in Deutschland auch.
epd: Wie kann man gegen die Wegwerf-Mentalität angehen?
Meyer: Wir müssen deutlich mehr Bewusstsein gegen Verschwendung schaffen. Zum anderen geht es darum, feste Regeln für den Handel zu bekommen. Frankreich hat zum Beispiel ein Gesetz gegen das Wegwerfen von Lebensmitteln. Das finde ich sehr sympathisch. Die Supermärkte müssen dann die Produkte, die sie zu viel haben, abgeben an Tafeln und gemeinnützige Organisationen. Bestimmte Regelungen zu erlassen, was Verpackungsgrößen angeht, etwa für Single-Haushalte - auch das ist sinnvoll. Auch über die Frage des Mindesthaltbarkeitsdatums sollten wir nachdenken. Bei bestimmten langlebigen Produkten wie Nudeln oder Zucker macht das wenig Sinn. Aber es werden auch massenhaft frische Produkte weggeworfen, die noch verzehrsfähig sind. Wichtig sind daher aussagekräftige Informationen für die Verbraucher, wie man mit Lebensmitteln wertschätzend umgeht.